Von Stapellauf zu Stapellauf
Kurt Wagner über die Deutsche Werft auf Finkenwerder
Nein, Kurt Wagner hatte nicht die Absicht, ein weiteres Buch nur um des Buches Willen zu schreiben. Ihm war vielmehr daran gelegen, eines deutlich zu machen: „Auf Finkenwerder hat sich ein bemerkenswertes Kapitel deutscher Industriegeschichte abgespielt.“ Gemeint ist die Deutsche Werft. In diesem Jahr wäre sie 100 Jahre alt geworden. Doch so weit sollte es nicht kommen. 1975/1976 war Schluss, und die einst so stolze Werft musste der internationalen Konkurrenz weichen.
Aus Anlass dieses Jubiläums hat Kurt Wagner jetzt einen Band, Titel: „Die Deutsche Werft in Hamburg – Goldene Jahre des Schiffbaus“ vorgelegt, in dem er, reich bebildert, die Geschichte dieser Werft von 1918, dem letzten Jahr des 1. Weltkrieges (am Gründungstag wurde noch geschossen) bis zu ihrem letzten Tag dokumentiert. Der Autor konnte dabei aus einem Fundus von über 6000 Fotos schöpfen, die teils im Archiv des Kultkurkreises Finkenwerder liegen oder ihm von zahlreichen Finkenwerdern zur Verfügung gestellt wurden. Denn auch das muss gesagt werden: Zwischen 1918 und 1975 hat es kaum eine Familie gegeben, deren nächste oder weitere Angehörige nicht auf der Deutschen Werft gearbeitet hätten. Das trifft auch auf Kurt Wagner und seine Frau Rita zu. Kurt hat auf der Deustchen Werft gelernt, hat dort Fußball gespielt und im Werksorchester Musik gemacht. Seither und bis heute (und es gibt noch einige Gründe mehr) gilt seine Faszination dem Schiffbau. Das merkt man dem Buch, das im Sutton Verlag erschienen ist, auf Anhieb an. Selbst wer nicht schiffbau-affin ist und diese Werft nie kennengelernt hat, merkt sofort: Hier war etwas Großes entstanden. Die stolzen Helgen mit dem Schriftzug „Deutsche Werft“ haben sich in das Gedächtnis vieler Finkenwerder eingebrannt. Noch heute kursieren unter Liebhabern auf Finkenwerder die von 1952-1968 erschienenen Werftzeitungen.
In 19 Kapiteln und auf insgesamt 159 Seiten illustriert Wagner die Geschichte der Deutschen Werft, vom Gründungsjahr bis zum 31. Januar 1975, 14.26 Uhr, als die Helgen gesprengt wurden. „Acht helle Blitze, ein dumpfer Knall, die Hellinganlage wird gesprengt“, hält die Chronik fest. Ein Jahr zuvor war das letzte Schiff vom Stapel gelaufen: die „City of Edinburgh“. Von den 848 Schiffen, die auf der Deutschen Werft gebaut wurden – die ersten sechs Bestellungen kamen aus Holland – ist heute lediglich eines noch, wenn auch nur gelegentlich, fahrtüchtig: die Cap San Diego, die an den Landungsbrücken liegt.
Die Idee, dieses Buch zu verfassen, liegt schon mindestens zehn Jahre zurück. Bei einer Veranstaltung in der Handelskammer berichtete der Sohn von Dr. Paul Voltz, letzter Direktor der Deutschen Werft, in einem Gespräch von acht Bildbänden mit Fotos aus dem Innenleben der Werft, die Paul Voltz seiner Frau geschenkt habe. Bereits nach einem Blick in diese illustrierte Geschichte stand für Kurt Wagner fest: Wenn die Gelegenheit kommt, greife ich darauf zurück. Vor gut einem Jahr, als Kurt Wagner mit den ersten Vorbereitungen für sein nunmehr 13. Buch begann, war die Gelegenheit dann, im Hinblick auf das 100. Werft-Jubiläum, da.
Nun liegt das Buch vor dem Leser und Betrachter, es entfaltet sich ein Panorama beeindruckenden Schiffbaus. Dazu schreibt Uwe Hansen, Ortsamtsleiter a.D. und wie Kurt Wagner lange Jahre im Kulturkreis Finkenwerder aktiv: „Die Bilder erinnern aber auch daran, zu welcher Formeleganz und technischen Vielfalt sich der Schiffbau vor dem Einzug des Containers in die Weltschifffahrt entwickelt hatte“. Kurt Wagner seinerseits gerät ins Schwärmen: „Die Deutsche Werft war ein bemerkenswertes indistrielles Schaufenster“. Ein wahres Wort, den Größen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gaben sich die Ehre. Victoria Luise, die jüngste Tochter des letzten deutschen Kaisers, war als Taufpatin da, der Bundespräsident Theodor Heuss oder auch der Bundeskanzler Dr. Kurt Georg Kiesinger, um nur einige zu nennen.
Heute ein ganz anderes Bild. Das Hochhaus an der Elbe erinnert als Stein gewordenes Relikt an die Deutsche Werft, und zu seinen Füßen flanieren oder joggen die Finkenwerder in ihrer Freizeit mit Blick auf die Elbe. Nur die wenigsten ahnen noch, auf welch historischem Terrain sie sich bewegen. Alle anderen hören im Geiste vielleicht noch die Niethämmer knallen und lassen vor ihrem geistigen Auge ein imposantes Bilderkaleidoskop vorüberziehen.
Kurt Wagner stellt das Buch am 8. Juni ab 19 Uhr im Beisein zahlreich geladener Gäste im Hotel Rilano auf Finkenwerder vor.
