Widerstand regt sich auf allen Ebenen

Ist das Aus für drei katholische Schulen besiegelt?

Widerstand regt sich auf allen Ebenen

Es war ein nicht ganz üblicher Anblick auf dem Schulhof des Niels-Stensen-Gymnasiums (NSG). Am Donnerstag hatten sich alle Schüler mit einer Blume in der Hand in der Schule eingefunden. Dann machten sie sich gemeinsam mit ihren Lehrern und dem Schulleiter auf nach Hamburg zum Mariendom. Sie trugen mit dieser Aktion symbolisch ihre Schule zu Grabe. Am Freitag vergangener Woche hatte das Erzbistum Hamburg beschlossen, hamburgweit acht katholische Schulen zu schließen, drei davon – außer dem NSG auch die kath. Grund- und Stadtteilschulen Harburg sowie Neugraben. Kurios dabei (u.a.): Die Pfarrgemeinde St. Maria – St. Joseph ist die größte katholische Gemeinde in der Stadt! Ausgerechnet diese soll zukünftig ohne Schule dastehen! Das NSG hatte für Donnerstag einen Exkursionstag vorgesehen – nun wurden die Exkursionen in eine Demo umgemünzt. Ursprünglich hatte das NSG für Freitag, 19. Januar, zu einem Tag der offenen Tür eingeladen. Nach dem Bekanntwerden der Entscheidungen des Bistums am Vormittag (die Schulleiter waren erst am 17. Februar informiert worden) wurde dieser Termin abgesagt. Sie mussten Stillschweigen versprechen, bis sie die Mitteilung am Donnerstagabend an die Kollegien zu geben hatten, so Daria Wolf, 1. Vorsitzende des Pfarrgemeinderates der katholischen Kirchengemeinde St. Maria – St. Joseph in Hamburg-Harburg.
„Tiefe Einschnitte zur Sicherung des katholischen Schulsystems in Hamburg notwendig“, so war die Presseeklärung des Erzbistums betitelt. Dort hieß es weiter, dass es „…erste wichtige Entscheidungen zur Sanierung seines überschuldeten Haushaltes getroffen“ habe. „Danach müssen von den 21 katholischen Schulen im Hamburger Stadtgebiet acht aufgegeben werden. Dreizehn Schulen werden weiterentwickelt.“
Generalvikar Ansgar Thim erklärte: „Dieser tiefgreifende, schmerzhafte Einschnitt fällt uns sehr schwer, besonders vor dem Hintergrund einer langen Tradition von katholischen Schulen in Hamburg. Eine Reduzierung der Schulen ist jedoch zwingend notwendig, um dem Erzbistum und damit auch dem katholischen Schulsystem dauerhaft eine Zukunft zu ermöglichen.“
Wie der Leiter der Abteilung Schule und Hochschule im Ezbistum, Dr. Christopher Haep, erläuterte, werden demnach an fünf der acht zur Schließung vorgesehenen Schulen bereits zum kommenden Schuljahr 2018/19 keine Schülerinnen und Schüler mehr aufgenommen. „Die Schließung der Schulstandorte erstreckt sich über mehrere Jahre, der reguläre Unterricht wird bis zuletzt mit großer Verantwortung sichergestellt“, erklärte Haep und fuhr fort: „An den drei weiteren zur Schließung vorgesehenen Schulen sollen zum nächsten Schuljahr 2019/20 keine Schülerinnen und Schüler mehr aufgenommen werden.“ Zugleich prüfe das Erzbistum dort in den kommenden Monaten intensiv, ob durch die Beteiligung Dritter eine Lösung zum Erhalt der Standorte erzielt werden könne. „Für die dreizehn in der Trägerschaft der Kirche verbleibenden Schulen betont das Erzbistum seinen festen Willen, diese zu einem in sich tragfähigen, profilierten Schulsystem weiterzuentwickeln und mit den notwendigen Investitionen zukunftssicher aufzustellen“, so Generalvikar Thim.
Eine im Auftrag des Erzbistums Hamburg u.a. von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young durchgeführte Analyse sei im Dezember 2017 zu dem Ergebnis gekommen, hieß es weiter, dass von den 21 katholischen Schulen acht nicht weitergeführt werden können. „Hintergrund ist zum einen der sehr hohe Sanierungsbedarf an den betreffenden Schulgebäuden, zum anderen sind es erhebliche Pensionsverpflichtungen im gesamten Schulbereich, die vom früheren Katholischen Schulverband übernommen wurden“, führte Dr. Christopher Haep aus.
Die Analyse von Ernst & Young, die alle Bereiche des Erzbistums untersucht hatte, verdeutlicht laut Generalvikar Thim, „dass die derzeitige bilanzielle Überschuldung des Erzbistums in Höhe von 79 Millionen Euro auf 353 Millionen Euro im Jahr 2021 anwachsen könnte, sollten keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. „Die Schließung von Schulen ist daher nur ein erster – wenn auch wesentlicher – Schritt, um das Erzbistum und damit das katholische Schulsystem in Hamburg auf eine tragfähige finanzielle Basis zu stellen. Weitere Schritte in anderen kirchlichen Bereichen werden folgen“, erklärte der Generalvikar.
Vor dem Mariendom in St. Georg legten die NSG-Schüler ihre Blumen nieder und bildeten damit den Namen ihrer Schule. Anschließend ergriff der Schulleiter Winfried Rademacher das Wort und schilderte die Ist-Situation, die die Schule so ganz überraschend getroffen habe. Anschließend legten die 500 Schüler Karten mit ihren Wünschen und Bitten auf dem Altar ab, ehe man sich vor dem Dom zum gemeinsamen Gebet traf.
Noch am 18. Januar hat Rademacher einen Brief an die Eltern und Schüler verfasst. Dort heißt es u.a., dass „diese Entscheidung, so schlimm sie auch für unsere Schule ist, wird für euren Jahrgang keine Auswirkungen haben. Es ist gesichert, dass dass das Abitur wie geplant von euch bzw. Ihren Kindern am Niels-Stensen-Gymnasium abgelegt werden kann… Wir sind erschrocken und traurig, dass dies der einzige Weg zur Sanierung der Finanzen des Bistums zu sein scheint. Unabhängig davon werden wir gemeinsam einen Weg finden, die Herausforderungen der nächsten Zeit zu meistern. Allerdings sollen ab kommendem Frühjahr keine weiteren Schüler in die 5. Klassen aufgenommen werden.
Daria Wolf weiter: Die Schließung aller drei katholischen Schulen im Bezirk Harburg schockt nicht nur Lehrer, Schüler und Eltern, sondern auch die Kirchengemeinden.
Die KSH wurde bereits 1860 gegründet, als die Phoenixwerke Arbeitskräfte suchten und viele Arbeiter aus katholischen Gegenden nach Harburg zogen. Die ersten Gottesdienste wurden im Schulgebäude gehalten, und erst 1864 wurde die katholische Kirche St. Maria gebaut. Am Reeseberg folgte 1913 die Kirche St. Franz-Joseph. Die Pfarrgemeinde wurde um die Schulen organisiert. Pfarrer gehen bis heute zum Religionsunterricht in die Schule, die Schule ist in die Vorbereitung der Kinder auf die Erstkommunion einbezogen. Die Vorbereitung auf die Firmung der Jugendlichen geht eng mit den Schulen zusammen. Wenn es in Harburg keine katholischen Schulen mehr gibt, ziehen auch die Lehrer weg und es gibt weniger Gemeindemitglieder für eine gute Kinder- und Jugendarbeit in der Gemeinde.“
Am Mittwoch, 31. Januar, findet um 19 Uhr ein Elternabend für alle Interessierten statt in der Katholischen Schule Harburg, Julius-Ludowieg-Straße 89. Verantwortliche des Erzbistums Hamburg stellen sich den Fragen der Eltern und Interessierten.
Die Vorsitzenden der Pfarrgemeinderäte der drei Gemeinden St. Bonifatius Wilhelmsburg, St. Maria – St. Joseph Harburg und Heilig-Kreuz Neugraben haben indessen einen Dringlichkeitsantrag zur Beschlussfassung im Gemeinsamen Ausschuss für den sofortigen Stopp des Entwicklungsprozesses zum Pastoralen Raum Hamburg-Süd gestellt. Das Petitum lautet: „Der Gemeinsame Ausschuss beschließt, den Erzbischof von Hamburg aufzufordern, den am 1. April gestarteten Entwicklungsprozess zum Pastoralen Raum Hamburg-Süd sofort zu stoppen. Über eine mögliche Weiterführung eines Entwicklungsprozesses zu einer noch nicht zu entscheidenden künftigen Pfarreienstruktur im Hamburger Süden entscheiden die Gremien der beteiligten Pfarreien zu gegebener Zeit.“