Des einen Freud ist des anderen Leid

Des einen Freud ist des anderen Leid

Beitragsfreie Betreuung in Kitas angekündigt

„Das ist ein guter Tag für Familien, der aber auch für mehr Sorgenfalten bei den Verantwortlichen in den Kommunen verbunden ist“, resümiert Tobias Handtke, Fraktionsvorsitzender der SPD im Kreistag und im Gemeinderat Neu Wulmstorf, ausgewogen die Ankündigung der Landesregierung, ab 1. August 2019 die Betreuung in den Kindertagesstätten (Kitas) für acht Stunden täglich beitragsfrei zu stellen. Denn die Beitragsfreiheit für die Eltern, und das ist der Wermutstropfen für die Kommunen, geht in großen Teilen zu Lasten der Gemeinden, die schon jetzt vielfach Schwierigkeiten haben, ihre Haushalte auszugleichen. Das Land will den Kommunen 55 Prozent der Personalkosten erstatten (statt 20 Prozent wie bisher, um einen Ausgleich zu schaffen) und diesen Betrag jährlich um 1 Prozent bis auf 58 Prozent steigern. Das klingt erstmal gut. Man muss allerdings wissen, dass hier nicht die tatsächlich anfallenden Kosten erstattet werden sollen. Es geht lediglich um eine Pauschale, errechnet auf der Basis von Gehältern, die vor zehn Jahren gezahlt wurden. Aushilfen und Vertretungskräfte sind gänzlich von dem pauschalierten Ausgleich ausgenommen.
„Die Theorie kann den Praxistest hier nicht bestehen. 300.000 Euro Mehrausgaben sind nach der Berechnung für die Gemeinde Neu Wulmstorf zu erwarten“, gibt Anneliese Scheppelmann, Vorsitzende im Finanzausschuss der Gemeinde Neu Wulmstorf, zu bedenken. Von den anfallenden höheren Betriebskosten, wie z. B. Heizkosten, spricht niemand. Immerhin gibt die Landesregierung die Zusage, dass Mittel, die der Bund für Investitionen zur Verfügung stellt, 1:1 an die Kommunen weitergeleitet werden sollen. Aber schon an diesem Beispiel zeigt sich, dass – mal wieder – die Kommunen einen wesentlichen Beitrag für die Beitragsfreiheit übernehmen sollen. Das habe mit der vielzitierten Konnexität (wer die Musik bestellt – bezahlt sie auch) allerdings nicht mehr viel zu tun, betonen die SPD-Politiker. Und weiter: Auch die Absprache zwischen Land und Gemeinden aus den 90er-Jahren scheine in Vergessenheit geraten zu sein. Diese beinhaltete eine Drittelung der Kosten: 1/3 übernimmt das Land, 1/3 die Kommune und 1/3 die Eltern. Demnach müsste nach dem Wegfall der Elternbeiträge das Land deren Anteil der Kosten übernehmen, und nicht nur einen Teil der nach einem Uraltschlüssel berechneten Personalkosten. So bleibt ein großer Teil der Mehrkosten bei den Gemeinden hängen, die sich mit Recht Sorgen darum machen, wie sie ihre vielfältigen Aufgaben weiterhin erfüllen und bezahlen sollen, wenn ihnen immer neue Aufgaben ohne Ausgleich aufgebürdet werden, bemängeln Handtke und Scheppelmann. „Für die Beitragsfreiheit haben wir uns als Sozialdemokraten immer stark gemacht und die Freude überwiegt, aber für eine ehrliche Politik gilt es nicht nur, Jubelstürme zu entfachen, sondern auch die aufkommenden Herausforderungen bei dem Finanzierungsmodell klar zu benennen“, so Handtke weiter.
Leider noch völlig ungeklärt sei die Situation der Kindertagespflege, für die eine Beitragsfreiheit noch nicht geklärt wäre. Hier seien viele Tagesmütter und -väter und ihre Existenzen betroffen und bilden gleichzeitig eine wichtige Säule im Betreuungsangebot ab. Im Vordergrund stehe bei den Sozialdemokraten die Entlastung vieler Familien in Niedersachsen und im Landkreis Harburg, so die Genossen. „Bei aller Euphorie dürfen wir nicht vergessen, dass wir an 365 Tagen im Jahr auch die Mittel zur Verfügung haben wollen und müssen, öffentliche Büchereien, Bäder, Sport- und Schulinfrastruktur zu finanzieren. Das ist unser Appell an die Landesregierung und an die vielen Abgeordneten, die zeitgleich auch in den Kommunen ehrenamtlich Verantwortung tragen. Es geht uns also nicht darum, Wasser in den Wein zu schütten, aber auf das Preisschild zu verweisen, damit die Kommunen auch zukünftig in der Lage sind, viele wertvolle Strukturen für Kinder und Familien zu finanzieren“, betont Handtke abschließend..