Kunstaktion auf der Veddel polarisiert

Die Fassade eines Mehrfamilienhauses auf der Veddel bekommt in den kommenden Wochen eine goldene Haut . Foto: au

Aufregung um eine Goldene Wand
Kunstaktion auf der Veddel polarisiert

 (au) Veddel. Selten hat ein Kunstprojekt auf den Elbinseln so polarisiert wie dieses: Seit Dienstag, 13. Juni, vergoldet der Konzeptkünstler Boran Burchhardt rund 300 Qua­dratmeter einer Fassade eines Mehrfamilienhauses auf der Veddel mit echtem Blattgold. Dazu fahren er und sein Mitarbeiter jeden Tag mit einem Steiger in die Höhe, Spezialkleber, Rolle, Schleifmaschine und natürlich das Blattgold sind mit dabei.

Unbekannte haben die Fensterscheibe des Steigers, mit dem Boran Burchardt täglich an der Fassade hinauffährt, eingeschlagen.

Rund zwei Monate soll es dauern, bis die ganze Fassade mit Blattgold beklebt ist. Von der Hamburger Kulturbehörde werden für das Vorhaben genau 85.621,90 Euro bereitgestellt, das aus einem Topf für Kunst im öffentlichen Raum kommt.

Der Quartierskünstler Boran Burchhardt (rechts) und SPD-Lokalpolitiker Klaus Lübke vor der Fassade, die in den kommenden Wochen komplett vergoldet wird. Foto: au

Bereits im November letzten Jahres löste allein die Ankündigung des Vorhabens eine wahre Flut der Berichterstattung in den Hamburger als auch deutschlandweiten Medien aus. Jetzt, zu Beginn der Künstleraktion, dasselbe Bild: Süddeutsche, Frankfurter Rundschau, Hamburger Abendblatt, MOPO, BILD, stern.de, NDR, SAT.1, extra3 und viele mehr haben sich des Themas angenommen. Die Meinungen in den Berichten sind so unterschiedlich wie in den sozialen Netzwerken, wo das Kunstprojekt kontrovers und leidenschaftlich diskutiert wird.
Damit hat Boran Burchhardt, der als Quartierskünstler der SAGA GWG Stiftung Nachbarschaft noch bis Ende dieses Jahres auf der Veddel arbeitet, zumindest schon mal eines seiner Ziele verwirklicht: „Die große Aufregung war mit eingeplant“, verrät Burchhardt. Ein weiteres Ziel sei, dass die Veddel, die nicht gerade zu den Gewinner-Stadtteilen in Hamburg zählt, ein anderes Image bekomme und in Zukunft mit „Gold“ assoziiert werde. Immerhin rund 14.000 Ergebnisse listet mittlerweile die Suchmaschine Google auf, gibt man die Stichworte „Goldene Wand“ und „Veddel“ ein.
Während wenige Befürworter von einer gelungenen Aktion sprechen, stören sich die meisten daran, dass das Projekt aus Steuergeldern finanziert wird, wie zum Beispiel der Bund der Steuerzahler. „Weltweit gilt Gold als das Symbol für Reichtum schlechthin. Und in Hamburg haben wir anscheinend nichts besseres zu tun, als diesen Reichtum an eine Hauswand zu kleben. Die Goldwand auf der Veddel ist absolut unhanseatisch, denn sie steht für Dekadenz und Protz. Deshalb ist es um so bedauerlicher, dass kein Verantwortlicher die Notbremse gezogen hat. Wir erkennen den Stellenwert von Kunst an. Kunst darf, ja Kunst soll vielleicht auch provozieren.
Mit der Vergoldung der Hauswand auf der Veddel wird aber höchstens der Steuerzahler provoziert, der früh morgens aufsteht, arbeiten geht und Steuern zahlt. Ab heute wird ein weiteres beschämendes Kapitel von Steuergeldverschwendung geschrieben“, erklärt Sabine Glawe, haushaltspolitische Sprecherin des Bundes der Steuerzahler Hamburg e.V. in einer Pressemitteilung.
Für Lokalpolitiker Klaus Lübke, SPD, ist die Veddel eben kein sozial schwacher Stadtteil, wie jetzt im Zusammenhang mit der Goldenen Wand überall berichtet wird. Und genau da knüpft auch seine Kritik an: Mit der Aktion würde der Stadtteil aber eben dazu gemacht. „Angebliches Problemviertel, Gold und Steuergelder – wenn einer der drei Faktoren fehlen würde, wäre es kein Skandal!“ Des Weiteren kritisiert er, dass Boran Burchhardt das Gespräch mit den Veddelern nicht gesucht habe, so habe dieser jederzeit die Möglichkeit gehabt, mit den Leuten zu reden. Auch an der städtischen SAGA, die dem Künstler die Kunstaktion an der Fassade ihres Hauses erlaubte, übt er Kritik: „Die SAGA beschützt ihre Mieter nicht. Sie fühlen sich der Neugier der vielen Menschen, die jetzt kommen, ausgesetzt!“
Während sich die meisten der beiden Lager – Befürworter und Gegner – auf Facebook die Finger wund tippen und hitzig diskutieren, haben einige das Kunstprojekt direkt angegriffen. So flogen gleich zu Beginn der Aktion blaue Farbbeutel an die Wand, einer hingegen landete durch ein gekipptes Fenster sogar in die Wohnung einer Anwohnerin und zerstörte Inventar. Auch am Steiger entstand erheblicher Schaden, dort hatten Unbekannte die Scheiben eingeschlagen. Lübke, der trotz aller Kritik die Kunstfreiheit hochhält und die Anschläge verurteilt, wünscht sich nun, dass man die ganze Diskussion wieder runterkoche und versuche, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was im Stadtteil eigentlich wirklich passiert. Und Boran Burchhardt? Der möchte jetzt erstmal das Projekt in Ruhe umsetzen, damit es dann wirken kann.

Unbekannte haben die Fensterscheibe des Steigers, mit dem Boran Burchhardt täglich an der Fassade hinauffährt, eingeschlagen. Foto: au