Inklusionsbeirat statt BAG?

pm - Claudia Loss (SPD): Keine Schnellschüsse zur eigenen Profilierung.

Inklusionsbeirat statt BAG?

Vorstoß von Neuen Liberalen und Grünen scheitert

Einen Inklusionsbeirat nach dem Muster von Wandsbek oder Eimsbüttel (er verfügt über einen Fonds von 200.000 Euro) wird es in Harburg nicht geben. Einen entsprechenden Vorstoß der Neuen Liberalen (NL) in der Bezirksversammlung schmetterte die Große Koalition (GroKo) aus SPD und CDU ab. Isabel Wiest, die den Antrag der NL vorgetragen hatte: „Über die Ablehnung, der ein Machbarkeitskonzept von der Verwaltung forderte, sind wir – freundlich ausgedrückt – mehr als befremdet. Die Ablehnung durch die GroKo ist in unseren Augen ein ignorantes Armutszeugnis für eine ernstgemeinte inklusive Kommunalpolitik. Hier überwogen wieder einmal egoistische und parteipolitische Eitelkeiten, die verhindert haben, dass man parteiübergreifend an einer vernünftigen und guten Sache arbeitet. Alle Ausflüchte der SPD vermochten nicht zu überzeugen, zumal deutlich wurde, dass man lieber Hinterzimmerpolitik betreiben möchte, als offen zu agieren.“ Wer in seiner Ablehnung dann auch noch mehrfach von einem Integrationsrat statt von einem Inklusionsbeirat rede, der habe offensichtlich noch nicht einmal verstanden, „worum es hier eigentlich geht“, fährt Wiest fort.
„Was viele Jahre im Bezirk Harburg herausragend funktioniert hat, wird von den Neuen Liberalen in Frage gestellt“, wundert sich indessen Jürgen Heimath, Fraktionsvorsitzender der SPD. Die Mehrheitsfraktionen haben in der vergangenen Sitzung der Bezirksfraktion den NL-Antrag abgelehnt, erläutert Heimath, „nicht weil sie gegen Inklusion und Beteiligung der Betroffenen sind, sondern weil es so etwas schon seit vielen Jahren im Bezirk gibt.“ Die Behindertenarbeitsgemeinschaft (BAG) berate seit 1980 Betroffene täglich in ihrem Büro am Seeveplatz 1. „Darüber hinaus berät sie Politik und Verwaltung im Bezirk und wird bei allen relevanten Fragestellungen als kompetenter Ansprechpartner hinzugezogen“, so Heimath weiter.
Claudia Loss, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion in Harburg, stellt verwundert fest: „Wenn Frau Wiest die Einrichtung eines Inklusionsbeirates fordert, obwohl der Bezirk Harburg schon seit vielen Jahren einen intensiven Austausch mit der BAG pflegt, dann hat sie entweder keine Kenntnis von den bestehenden Strukturen oder will sogar vorsätzlich eine gut funktionierende Kooperation zunichte machen. Was in Eimsbüttel und Wandsbek jetzt erstmalig mit dem Inklusionsbeirat umgesetzt wird, ist hier mit der BAG schon längst institutionalisiert und darf nicht fahrlässig aufs Spiel gesetzt werden. Wir wollen aber die bereits stattfindenden gemeinsamen Gespräche mit allen Beteiligten weiterführen und sehen, ob die Einrichtung eines Beirats zusätzliche Anreize schaffen kann. Aber das kann nicht an der BAG vorbei geschehen, sondern nur gemeinsam mit ihr. Eine Vorfestlegung – wie es Frau Wiest gefordert hat – ist kein achtungsvoller Umgang mit den Mitgliedern der BAG und deren herausragendem ehrenamtlichen Engagement. Inklusion ist ein viel zu wichtiges Thema, als dass man es für Schnellschüsse zur eigenen Profilierung nutzen sollte.“
„Wer vor einer großen Gruppe betroffener Gäste derart unangenehm und ignorant agiert, der sollte nächstes Mal seine Hausaufgaben besser machen, oder einfach mal über den sozialdemokratischen Schatten springen“, empfahl Wiest insbesonders der SPD und erläuterte: „Mit dem Anliegen eines Inklusionsbeirats bewegen wir uns nämlich keinesfalls auf kommunalpolitischem Neuland, sondern fordern lediglich, was landauf, landab – und sogar in Hamburg – längst geübte und gelebte kommunalpolitische Praxis ist. Mit allen verwertbaren Erfahrungswerten zu allen relevanten Fragen. Wer jetzt noch alle möglichen aufwendigen Prüfaufträge vorschiebt, verlacht die Menschen, die längst ein gesetzliches Recht auf diese Art der Mitbestimmung haben.“ Auf Facebook schob Isabel Wiest nach, dass ihr die BAG in Sachen Inklusion bisher nicht aufgefallen sei: „Es ist ganz eindeutig, dass das Thema nur exklusiv von der SPD-Vorsitzenden des Sozialausschusses und der Sozialdezernentin bewegt werden soll. Da ist einfach kein Platz für Ideen der Opposition. Darüber hinaus berief man sich darauf, das es ja eine Behinderten Arbeitsgemeinschaft gebe und der Bezirk Harburg somit vorbildlich und frühzeitig dementsprechend aufgestellt wäre. Was natürlich ein Witz ist. Die Behinderten-Arbeits-Gemeinschaft ist mir in den über vier Jahren, in denen ich hier Abgeordnete bin, nicht ein einziges Mal irgendwie über den Weg gelaufen. Und genau deswegen war die Gruppe von Sozialkontor auch bei mir im Ausschuss. Weil sie sich nicht gehört fühlen. Naja, jedenfalls ist das Thema in der Welt. Das ist die Hauptsache.“
Auch Tülin Akkoç, Sprecherin für Migration, Integration & Inklusion in der Grünen-Fraktion bedauert, dass es keinen Inklusionsbeirat für Harburg geben soll. „Die Harburger GroKo (CDU und SPD) will und kann nicht von anderen Bezirken lernen“, stellt sie fest und führt aus: „Menschen mit Behinderung sind immer noch einer Vielzahl von Problemen ausgesetzt. Dazu zählen nach wie vor erhebliche Barrieren im öffentlichen Personennahverkehr, in öffentlichen wie privaten Gebäuden sowie vielfältige Diskriminierungen oder Berührungsängste im Alltag. Um die Interessen und Bedarfe dieser Menschen besser bei Planungen von baulichen Vorhaben und in Belangen der sozialen Stadtentwicklung berücksichtigen zu können, ist die Schaffung eines bezirklichen Inklusionsbeirates förderlich. Die Grüne-Fraktion Harburg unterstütze deshalb auch die Einrichtung eines Inklusionsbeirates für Harburg. Sie forderte in einem Antrag an die Bezirksversammlung, dass zuständige Vertreter aus dem Inklusionsbeirat Wandsbek und aus der Senatskoordination für die Gleichstellung behinderter Menschen zeitnah in den Sozialausschuss kommen. Tülin Akkoç betonte in ihrem Redebeitrag die Bedeutung der bisher in Wandsbek gemachten Erfahrungen für die Arbeit in Harburg. Zudem möchte sie wissen, wie viel finanzielle Mittel für eine konstruktive Arbeit von Inklusionsbeiräten notwendig sind, welche Mittel überhaupt in Hamburg zur Verfügung stehen und wie interessierte Verbände und Selbsthilfeorganisationen sowie Bezirksverwaltung und Bezirksversammlung beteiligt und eingebunden werden können, damit die Ausgestaltung eines solchen Gremiums erfolgreich erfolgen könnte.“
Sie wundert sich über „die dürftige Begründung“ der GroKo: im Bezirk Harburg fände in Bezug auf das Thema Inklusion schon genügend statt, der Bezirk wäre sogar Vorreiter. Akkoç weiter: „Dass sogar Harburger Interessenvertreter im Regionalausschuss vor einigen Wochen die Forderung nach einem Inklusionsbeirat im Bezirk Harburg bekundet haben, scheint die GroKo komplett zu ignorieren. Denn dann hätten sie im Sinne der betroffen Menschen unserem Berichtsantrag zugestimmt. Da fragt man sich schon, ob die Harburger GroKo gute Initiativen und Ideen deshalb blockiert, weil sie nicht von ihnen selbst sind. Es kann aber auch sein, dass sie an dem Thema Inklusion und echter Teilhabe von allen Menschen einfach nicht interessiert sind“, mutmaßt Tülin Akkoç.