Container stehen heute in der Ortsmitte

Detlef Baade mit alten Fotos der Trajekt-Fähre

Container stehen heute in der Ortsmitte

Treffen ehemaliger Waltershofer im Duckdalben

Es ist zwar schon 56 Jahre her, doch die Erinnerungen sind unverändert ganz frisch. Manch einer wischte, gar nicht verstohlen, die eine oder andere Träne weg, zu einschneidend war das Ereignis: die Sturmflut in der Nacht vom 16./17. Februar 1962. Das ist zwar schon über ein halbes Jahrhundert her, doch wenn sich diejenigen treffen, die selbst davon betroffen waren, dann nimmt das Erzählen und Erinnern gar kein Ende mehr. So geschehen am 17. Februar im Seemannsclub „Duckdalben“ in Waltershof. Dort treffen sich auf Betreiben des ehemaligen Waltershofers Johannes Tännies einmal im Jahr ehemalige Bewohner von Waltershof und der Dradenau, zwei Stadtteile, die mit und in der Flut untergeganen sind, sprich, als Wohnorte aus dem Stadtplan verschwunden sind. Wenn man es in nackten Zahlen ausdrücken will, dann etwa so: In 98 Prozent der Fälle wird, wenn über Waltershof berichtet wird, über Container und Schiffe gesprochen, in 1 Prozent vielleicht noch über die Seemannsmission „Duckdalben“ und im verbliebenen 1 Prozent dann über Waltershof und seine ehemaligen Bewohner.
Zur Freude von Johannes Tönnies, der auch ein Buch über „sein“ Waltershof geschrieben hat, mögen es knapp 100 Personen gewesen sein, die sich am vergangenen Sonnabend eingefunden hatten, um Freunde und Nachbarn von früher zu treffen und sich bei Butterkuchen und Kaffe auszutauschen. Selbst das Fernsehen war gekommenn. Mitgebracht hatten die ehemaligen Waltershofer, die zuweilen auch in Begleitung ihrer Kinder oder gar Enkelkinder gekommen waren, zahlreiche Fotos, Zeitungen und Zeitungsausschnitte, die „ihr“ Waltershof zumindest für einige Stunden wieder lebendig werden ließ. Sie machten von Tisch zu Tisch die Runde und jeder entdeckte etwas Liebgewonnenes darauf. War es für den einen die Holzkirche, so war es für den anderen der gute alte „Kolonialwaren-Laden“ oder die Schwimmstelle am Elbufer, wo man als Kind in den Fluten planschte, bis eben dies Sturmflut über Nacht allem ein jähes Ende bereitete, 43 Todesopfer inklusive.
Man muss es sich vorstellen. Dort, wo sich heute der Burchardkai befindet, war die Ortsmitte, wo die vormalige Zollstation an der Finkenwerder Straße errichtet wurde, stand früher Walters-Hof, ein beliebter Gasthof mit Saal, wo oft und gerne gefeiert wurde. Das und manches mehr wurde wieder lebendig, das Stimmengewirr beeindruckend: „Monika, hier, unsere Laube…“ oder „Da hatte mein Großvater…“ waren Satzbruchstücke, die ein ums andere Mal zu hören waren, zum Erstaunen der nächsten Generation, die das alles nicht mehr mitbekommen hat und es lediglich vom Hören-Sagen kennt. Detlef Baade verteilte indessen Fotos der ehemaligen Trajektfähre (auf der man sich im Winter an einem Kohleofen wärmen konnte, wie er berichtete), während Johannes Tönnies, der über allem die ordnende Hand hielt, Anlaufstelle für jeden und alles, einschließlich Presse, war.
Mittlerweile sind es bald 50 Jahre her, seit in Waltershof das erste Containerschiff angelegt hat und eine neue Ära der Schifffahrt eingeläutet wurde. An das dadurch verdrängte Waltershof, eine ehemalige Elbinsel, die 1838 zu Hamburg kam, erinnerten an diesem Tag lediglich noch ein paar Zeilen aus den Erinnerungen der ehemaligen Lehrerin Anneliese Sagasser und zahlreiche Sätze, die alle mit dem vertrauten „Weißt du noch, damals…“ begannen. Waltershof mag untergeganegn sein – im nächsten Jahr wollen sich die Waltershofer wieder treffen.