„Ich bin erschüttert“

„Ich bin erschüttert“

Stimmen zur geplanten Schließung der kath. Schulen in Harburg

Entsetzen, Unverständnis, Empörung und Missbiligung: So lassen sich die Reaktionen der Öffentlichkeit und der Politik in wenigen Schlagworten zusammenfassen.
Bereits 48 Stunden nach Verkündung der Pläne des Bistums waren Dr. Christopher Haep, Leiter der Abteilung Schule und Hochschule des Bistums sowie weitere zuständige Vertreter des Bistums zu Gast bei der Harburger CDU. Deren Fraktionsvorsitzender in der Bezirksversammlung, Ralf-Dieter Fischer, brachte zum Ausdruck, dass die Pläne des Erzbistums nicht überzeugend seien. Die sozialen und regionalen Aspekte hätten – auf Harburg bezogen – so Fischer, bei der Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden. „Auch die Berechnungen haben keinen Bestand“, so Fischer. So sei beispielsweise in Bezug auf das Niels-Stensen-Gymnasium überraschenderweise von einem Neubaubedarf (für eine Sporthalle) die Rede gewesen, Fischer: „Das alles überzeugt uns nicht.“ Außerdem sei es insbesondere den Schülern aus Harburg nicht zuzumuten, täglich über die Elbe zu fahren, ganz abgesehen davon, dass den verbleibenden katholischen Schulen wohl auch die notwendigen Kapazitäten fehlen würden. Die Harburger Politik erwartet jetzt in der Sitzung des Sozialausschusses am 6. Februar von den zuständigen Stellen einen detaillierten Bericht. Fischer wundert sich auch über den überraschten Schulsenator Ties Rabe. Dem seien die Spar-Pläne des Bistums bereits seit geraumer Zeit bekannt geewesen, nur wen es treffen würde, das habe er nicht gewusst.
Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezurksversammlung, stellte seinerseits bereits am 19. Januar fest: „Gerade für Harburg ist das ein besonders starker Einschnitt in das Schulsystem in freier Trägerschaft. Schon in der jetzt anlaufenden Anmelderunde werden keine Schüler mehr am Niels-Stensen-Gymnasium aufgenommen. Das Erzbistum will und kann sich wohl keine drei Gymnasien in Hamburg mehr leisten. An der Katholischen Schule Neugraben werden bereits keine fünften und sechsten Klassen mehr geführt und die Schüler des Grundschulzweigs müssen sich beim Übergang auf weiterführende Schulen umorientieren. Der Grundschulzweig in Neugraben und die Grund- und Stadtteilschule Harburg sind zwei der drei Wackelkandidaten, die unter Umständen noch eine Chance auf einen weiteren Betrieb haben. Vorausgesetzt, es kommt Hilfe von ganz oben – oder anderer Stelle.“ Er fährt fort: Und wie sieht es mit der sozialen Verantwortung des Erzbistums aus? Viele Gemeindemitglieder möchten ihre Kinder in Schulen mit kirchlichem Hintergrund einschulen, sie nach der Grundschule vielleicht auch auf ein katholisches Gymnasium schicken. Der Weg aus Süderelbe zum Niels-Stensen-Gymnasium ist für viele noch möglich gewesen. Für die Sophie-Barat-Schule oder die Sankt-Ansgar-Schule gilt das nicht mehr. Auch erinnern wir uns noch an den Protest der Eltern und Schüler, als es um die Schließung des weiterführenden Zweigs in Neugraben-Fischbek ging. Eine Entscheidung, die an den Betroffenen vorbei gefällt wurde und immer noch ein Dorn im Fleisch vieler der Betroffenen. Sein Fazit: fordern wir das Erzbistum Hamburg auf zu prüfen, in welcher Form Unterstützung zum Fortbestand, respektive zur Sanierung möglich und vertretbar ist. Hier muss sich das Erzbistum auch entscheiden, welcher Rat der bessere ist – der Rat einer Unternehmensberatung oder der Rat, der sich aus den christlichen Sozialprinzipien ergibt. Gerade der drohende vollständige Verlust der katholischen Schulen im Bezirk Harburg kann nicht hingenommen werden.“
„Die Ankündigung des Erzbistums, das Harburger Niels-Stensen-Gymnasium in fünf Jahren schließen zu wollen und über die Schließung der Katholischen Schule in Harburg und Neugraben nachzudenken, stößt auch bei den Harburger FDP-Bezirksabgeordneten Carsten Schuster und Viktoria Pawlowski auf großes Unverständnis. „Offenbar hat es viele Gespräche im Vorfelde gegeben, aber niemand hat mit den direkt Betroffenen gesprochen. Das zeugt nicht gerade von christlicher Nächstenliebe!“ Schuster weiter: „Wir erwarten vom Erzbistum, die Entscheidung nicht von rein wirtschaftlichen Faktoren abhängig zu machen, sondern sich auch der sozialen Verantwortung zu stellen! Gerade der Bezirk Harburg ist auf Schulen angewiesen, die sich sozial engagieren und gute Bildungsangebote vorhalten. Die katholischen Schulen leisten hierzu einen großen Beitrag. Bleibt es bei den Schließungsplänen, ist der Schulsenator in der Pflicht, die große Lücke zu schließen. Wir erwarten vom Senat einen überzeugenden Plan B, um die Bildungsqualität und den Erhalt von Schulen in freier Trägerschaft im Bezirk Harburg sicherzustellen!“
„Es ist unglaublich, das Ties Rabe die Entscheidung des Erzbistums lediglich ‚bedauert‘ und die Harburger SPD nur darauf hinweist, dass das staatliche Schulsystem gute Möglichkeiten bietet, denn darum geht es nicht. Es muss alles daran gesetzt werden, diese Schulstandorte zu erhalten, und in dieser Angelegenheit wird man miteinander reden müssen. Dabei sollte es um Modelle neuer Trägerschaften gehen, oder um die Übernahme in das Staatliche Schulsystem. Hier ist akuter Handlungsbedarf, sagte Britta Herrmann, Fraktionsvorsitzende der Harburger Grünen. Sie fordert die Einrichtung eines Runden Tisches.
Die AfD äußerte sich wie folgt: „Wir bedauern die Schließung von bis zu acht katholischen Schulen in Hamburg. Gerade im Umfeld einer sich ethnisch und kulturell immer stärker verändernden Stadt, galten und gelten diese Schulen für viele Eltern als ein letzter Garant für die Weitergabe christlich-abendländischer Traditionen und Werte. Außerdem stehen sie für die Einforderung anspruchsvoller schulischer Leistungsstandards. Gerade in Harburg wird das gesamte katholische traditionsreiche (Stadtteil-)Schulsystem zerstört.“ Die AfD fordert den Erzbischof dazu auf, in ergebnisoffene Verhandlungen mit dem Senat zu gehen.
Schließlich der offene Brief einer Mutter, deren beider Söhne das Niels-Stensen-Gymnasium besuchen, an den Erzbischof Stefan Heße. Sie fasst die Situation in drei Worten zusammen: „Ich bin erschüttert.“ Das alles sei entgegen jeden christlichen Verständnisses. Dann listet sie einen Katalog von sieben Fragen auf, um Licht in die Situation zu bringen, von der sie über die „Ranzenpost“ ihrer Kinder erfahren habe.
„Die Entscheidung hat uns komplett auf dem falschen Fuß erwischt“, sagt Michael Stüper, Schulleiter der Katholischen Schule Harburg (KSH). Die KSH ist die älteste katholische Schule in Hamburg. Sie blickt auf knapp 160 Jahre Geschichte zurück. „Sie ist die Mutterschule aller katholischen Schulen in Harburg“, erklärt Schulleiter Stüper wehmütig. Die Schule sei deutlich älter als das Bistum Hamburg. Etwa 700 Schülerinnen und Schüler werden aktuell in der Grund- und weiterführenden Schule unterrichtet. Dabei sah es zum Ende 2017 noch ganz gut aus.“
Metin Hakverdi, SPD-Bundestagsabgeordneter für Harburg und Süderelbe im Deutschen Bundestag, findet die Entscheidung des Bistums Hamburg bedauerlich. „Das ist eine sehr bedauerliche und schlechte Nachricht für die Schulstandorte Harburg und Süderelbe.“ Die Angebotsvielfalt sei wichtig. „Ich erwarte vom Bistum Hamburg Dialogbereitschaft“, sagt Hakverdi. Die Kirche müsse für die Eltern transparent machen, warum von der Schulschließung gerade die Harburger Standorte betroffen seien. „Die Kirche muss auch garantieren, dass jedes bereits eingeschulte Kind den angestrebten Schulabschluss an der jeweiligen Schule machen kann“, ergänzt er. Wie es weitergeht, weiß weder Schulleiter Rademacher (NSG), mit dem sich der Harburger SPD-Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi kurzgeschlossen hat, noch Schulleiter Stüper. Beide hoffen noch, dass die Schließungen abgewendet werden können.