Wieder mehr Kiebitze in Wilhelmsburg

Ein Kiebitzküken von vielen das aufgrund eines Gemeinschaftsprojekts in Wilhelmsburg auf die Welt kommen konnte Foto: BUND

Wieder mehr Kiebitze in Wilhelmsburg.

Gemeinschaftsprojekt zum Kiebitzschutz erfolgreich.

Tapsig rennt das kleine Kiebitzküken dem Insekt hinterher, um es schließlich genussvoll zu verspeisen. War dieser Anblick im vergangenen Jahr in Wilhelmsburg noch eher selten, hat der BUND in diesem Jahr gute Nachrichten. Noch vor einem Jahr beklagte der im vergangenen Jahr verstorbene Kiebitzschützer Harald Köpke, die Kiebitze auf der Elbinsel Wilhelmsburg würden vor dem Aussterben stehen. Nur noch zwei Kiebitzpaare konnten ihren Nachwuchs erfolgreich großziehen, beide auf Flächen der Stiftung Ausgleich Altenwerder (der Neue RUF berichtete).
In diesem Jahr ist die Bilanz deutlich besser – aus den Gelegen von elf Kiebitzpaaren sind viele Küken bereits munter im Umfeld der Nester unterwegs. Möglich war dies dank einer gelungenen Zusammenarbeit. Der BUND Hamburg, die Stiftung Ausgleich Altenwerder, die Umweltbehörde und die Landwirte in der Region haben sich in diesem Jahr zusammengetan, um die Brutsituation für die Kiebitze und den Schutz der Nester gemeinsam zu verbessern, teilte der BUND vergangene Woche erfreut mit. „Wir sind total glücklich über die gelungene Aktion“, sagt Dr. Gisela Bertram, die Geschäftsführerin der BUND-Stiftung Ausgleich Altenwerder. „Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass wenn die Rahmenbedingungen stimmen und alle Rücksicht nehmen, die Natur ihren Platz in Hamburg haben kann.“
Ursache für den Erfolg seien neue, wasserführende Senken auf den Stiftungsflächen, der regenreiche Winter und der dadurch verstärkte Anbau von „kiebitzfreundlichem“ Sommergetreide. Dazu kämen die Mitarbeit der Landwirte, die Unterstützung durch die Umweltbehörde und einen von ihr beauftragten Ornithologen sowie nicht zuletzt die zahlreichen freiwilligen Beobachterinnen und Beobachter, die jeden „Brutverdacht“ sofort meldeten, damit die Nester geschützt werden konnten und nicht bei der Bewirtschaftung der Flächen versehentlich unter die Räder kamen. So hatte zum Beispiel die Umweltbehörde noch im Winter 2021/22 die Landwirte angesprochen, die im Gebiet ihre Äcker bewirtschaften. Alle hatten ihre Kooperation in Sachen Kiebitzschutz zugesagt.
Nach einem Aufruf des BUND machten zahlreiche Freiwillige aus Wilhelmsburg sowie von nördlich und südlich der Elbinsel nach vorheriger Einweisung durch Gisela Bertram seit Ende März ihre „Kiebitzrunden“. Meistens lief es so, dass eine Person die erste Sichtung von Kiebitzen meldete, die „verdächtig auf einer Fläche unterwegs waren“. Andere kontrollierten die Beobachtung bei ihren nächsten Touren, informierten den Ornithologen, der die Meldungen gegebenenfalls bestätigte, die genauen Brutplätze lokalisierte und an die Behörde beziehungsweise die zuständigen Landwirte weitergab.
Insgesamt wurden so auf Ackerflächen sieben Kiebitznester gefunden und geschützt. Hinzu kamen vier Nester auf Flächen der Stiftung Ausgleich Altenwerder. Dort hatte die Stiftung im vergangenen Winter sehr flache Senken baggern lassen, die sich im feuchten Frühjahr mit Wasser füllten und so schon im März eine große Attraktion für Kiebitze waren.
Die Freude über den gelungenen Kiebitzschutz in diesem Jahr sei jedoch nach wie vor getrübt durch die Zerstörung des ehemaligen Kiebitz-Brutgebietes auf den Flächen des heutigen Logistikzentrums Obergeorgswerder im Jahr 2008, so der BUND weiter. Allein auf dieser Fläche brüteten laut der Umweltschützer bis dahin regelmäßig circa 20 Kiebitzpaare. „Zur Wahrheit gehört, dass auf den Flächen im Wilhelmsburger Osten, die als artenschutzrechtliche CEF-Ausgleichsflächen (continuous ecological functionality) für die Kiebitze von Obergeorgswerder vorgesehen sind, kein einziger Kiebitz brütet. Auch in Zukunft wird dort kein Kiebitzpaar brüten, da die Flächen nicht für den Kiebitz geeignet sind. Dies bestätigt ein Gutachten, das der Umweltbehörde vorliegt. Eigentlich müssen solche CEF-Ausgleichsmaßnahmen fertiggestellt sein und zuverlässig funktionieren, bevor die ursprünglichen Naturflächen zerstört werden“, so Dr. Gisela Bertram. Der BUND fordert die Umweltbehörde deshalb auf, auf den bestehenden Ausgleichsflächen kiebitzoptimierte Habitate zu schaffen und weitere kiebitzgeeignete Flächen auszuweisen – damit die Kiebitzjungen aus den diesjährigen Bruten in den nächsten Jahren ihren eigenen Nachwuchs auf der Elbinsel großziehen können.
Bundesweit sind die Bestandszahlen des Kiebitzes in den letzten 30 Jahren in Deutschland um 88 Prozent zurückgegangen. Die Rote Liste der Brutvögel in Hamburg geht von höchstens noch 300 Brutpaaren in der Hansestadt aus und hat den Kiebitz in die Stufe 2, „stark gefährdet“, eingeordnet. Die Umweltbehörde geht nach den Daten der Roten Liste der Brutvögel in Hamburg (A. Mitschke 2018) weiterhin von einer starken Bestandsabnahme aus.