Widersprüchlichkeiten einer post-migrantischen Gesellschaft

priv./Phung-Tien Phan -Irgendwo zwischen Konsumgütern repräsentativem Stil und aufprojezierten Rollenbildern ereignet sich das Paradox dem Phan in ihren multimedialen Arbeiten nachgeht

Widersprüchlichkeiten einer post-migrantischen Gesellschaft.

Zwei Ausstellungen im Kunstverein Harburger Bahnhof.

Gleich zwei Ausstellungen – von Phung-Tien Phan und Darja Shatalova – zeigt der Kunstverein Harburger Bahmhof (Hannoversche Straße 85, über den Gleisen 3 und 4) ab 1. August.
„Café Chardonnay – alles nehmen“ heißt die Ausstellung der vietnamesisch-deutschen Künstlerin Phung-Tien Phan, die in Essen lebt und sich im Rheinland seit 2016 einen Namen gemacht hat. Ihre Arbeiten kreisen dabei regelmäßig um die Frage nach der Bedeutung des Lebens, um den Status Quo, der darin konsumiert wird, die Rollenmuster, denen sich leicht verfallen lässt und die Brüche, die sich zwischen diesen Alltäglichkeiten, aber auch kulturellen Widersprüchlichkeiten ergeben. Unaufhebbar scheint dabei die Kluft zwischen dem Glauben an die Akkumulation im Hier und Jetzt und an das Leben als Station zwischen Geburt und Tod, das im vietnamesischen Buddhismus verankert ist.
Eröffnet wird die Ausstellung am 31. Juli um 19 Uhr.
Für ihre Ausstellung im Kunstverein Harburger Bahnhof, die bis zum 4. Oktober zu sehen ist, sind ein neues Video und neue Skulpturengruppen entstanden: Mit Bananenblättern und Laken umhüllte Möbel im Empire-Stil, die nur Löwentatzen mit rot lackierten Krallen noch hervorschauen lassen, erinnern an die gut vor Staub geschützten Gesellschaftszimmer des 19. Jahrhunderts, in denen man die Gäste empfing und seinen Statusverpflichtungen nachging. Die zweite Skulpturengruppe verbindet modellhafte Rollwägen mit größenwahnsinnigen Hochzeitstorten aus Silikon, die genauso gut Modelle für Wolkenkratzer sein könnten. Es geht um die Widersprüchlichkeiten einer post-migrantischen und neoliberal durchgefärbten post-kapitalistischen Gesellschaft, in der dem Individualismus alles offen steht. Könnte man zumindest denken, bevor man bemerkt, dass die Macht über das eigene Gelingen auch nur eine Ware ist. Phung-Tien Phan (*1983) lebt und arbeitet in Essen.
Darja Shatalova beschäftigt sich indessen in ihrer Arbeit „Inzwischen“ mit den Streckenverläufen und Zeitrhythmen der ankommenden und abfahrenden Züge am Gleis 3 und 4 des Harburger Bahnhofs und visualisiert diese räumlich codiert. Der Ausstellungsort dient als Grundlage und Rahmen für die inhaltliche Auseinandersetzung. Durch die kartografische Veranschaulichung von planmäßigen Abfolgen und dem tatsächlichen Status quo wird auf die aktuelle politisch-gesellschaftlichen Lage verwiesen. Die Umsetzung der Arbeit in einer transluziden Materialität zeigt den filigranen Charakter von Bewegungsmöglichkeiten und Verbindungen innereuropäischer Länder auf. Zu sehen bis zum 30. August.