„Wer prüfen will, ist nicht für eine Öffnung der Süderelbe“

„Wer prüfen will, ist nicht für eine Öffnung der Süderelbe“.

SPD: CDU-Antrag zeigt Widersprüchlichkeit der Oppositionspartei.

„Wir brauchen endlich klare Perspektiven für die Elbe und den Süderelberaum – und keine politischen Spielchen“, fordern Dirk Kienscherf, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bürgerschaft und der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Matthias Czech aus Süderelbe/Harburg.
Hintergrund: Seit Jahren gibt es Streit zwischen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bezüglich der Verbringung des aus der Nordsee kommenden und sich im Hamburger Bereich der Tideelbe ablagerndem Sedimentes. Die Verbringung zurück in die Nordsee ist notwendig, da anderenfalls die Fahrrinnentiefe der Elbe und damit die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens nicht mehr erhalten bleiben würde. Die Notwendigkeit, langfristige Vereinbarungen zwischen den Ländern und dem Bund zu treffen, führte 2016 zur Gründung der Kooperationsplattform Forum Tideelbe. Das Ziel des Forums war, eine nachhaltige Entwicklung der Tideelbe zu fördern und erstmals abschließend zu prüfen, ob es Maßnahmen geben kann, der Tideelebe wieder mehr Raum zu geben, um so die Fließgeschwindigkeit der Tideelbe zu senken und damit das Sedimentaufkommen zu reduzieren. Und damit auch das Volumen der notwendigen Verbringungen zurück in die Nordsee.
Czech blickt zurück: „Über 50 Organisationen aus den Ländern und dem Bund waren beteiligt. Nach jahrelangen Prüfungen von fast 30 denkbaren Maßnahmen kam das Forum 2020 zum Ergebnis, dass nur drei Maßnahmen weiter zu prüfen seien, wobei nur zwei – die Öffnung der Alten Süderelbe und die Öffnung der Haseldorfer Marsch – spürbare Auswirkungen auf die Unterelbe haben könnten. Ob diese Maßnahmen auch tatsächlich sinnvoll wären, dazu hat der Bericht keine Aussagen gemacht. Gerade hinsichtlich der Alten Süderelbe gibt es sehr viel offene Fragen und Bedenken. Dieses für die Natur und Umwelt wichtige Gewässer hat in seiner jetzigen Form u.a. eine enorme Bedeutung für den Obstbau der Region, aber auch für den Binnenwasserschutz. Daher gibt aus dem Süderelbebereich sehr kritische Stimmen.“
Kienscherf erläutert: „Ich verstehe die kritische Haltung der Menschen, auch unsere Harburger Bezirksfraktion hat eine klare ablehnende Haltung gegen eine Öffnung. Auch ich glaube, dass die kritischen Punkte, auch die Kosten, den möglichen Nutzen deutlich überwiegen. Und ich denke, dass dieses auch eine vertiefte Prüfung darlegen wird. Gleichwohl haben sich alle Länder und der Bund darauf verständigt, das Prüfungsverfahren – also kann es mehr Raum für die Tideelbe geben – zum Abschluss zu bringen. Das ist wichtig, weil so endlich eine langfristige Vereinbarung zur Unterbringung des Elb-Sedimentes geschlossen werden kann. Und das ist für Hamburg unerlässlich. Wenn die CDU jetzt erneut in der Bürgerschaft den Abbruch weiterer Prüfungen fordert und gleichzeitig zuvor den Senat zu einer Lösung der Sedimentproblematik auffordert, zeigt das die Widersprüchlichkeit der CDU. Die Opposition hatte ihren Antrag unter die Überschrift „Wer prüfen will, der will auch öffnen – Tideanschluss der Alten Süderelbe verhindern!“ gestellt. Das forderte den Widerspruch der SPD. Kienscherf: „Was wir brauchen, ist etwas anderes: Bei den vertieften Prüfungen müssen alle Bedenken des Süderelberaumes berücksichtigt und als wichtige Prüfpunkte ausgewiesen werden, dazu zählen naturschutzrechtliche Aspekte, der Hochwasserschutz, die Wasserversorgung für den Obstbau, aber auch die möglichen enormen Kosten. Der Prüfungsauftrag selbst wird dann, und zwar vor Erteilung des Prüfungsauftrages, der Bürgerschaft zur Beratung vorgelegt. Das ist ganz wichtig und zeigt, dass gerade die kritischen Punkte nun endlich auch breit dargestellt werden können. Damit wird die Forderung von uns und den Grünen umgesetzt. Wer vertieft prüfen will, ist also mitnichten für eine Öffnung der Süderelbe.“
Kienscherf weiter: „Vergleicht man beide Maßnahmen, dann erscheint mir auf den ersten Blick das Potenzial der Haseldorfer Marsch als ungleich größer, die Kosten und Anrainerbetroffenheit erheblich niedriger. Auch das kann ja ein Ergebnis der Prüfungen sein. Wichtig ist daher, dass die Prüfungen vorgenommen werden, auch damit endlich Klarheit geschaffen wird, was geht und was keinen Sinn macht, und dann ist das Thema endlich durch und keines der Nachbarländer kann Hamburg vorwerfen, nicht alles geprüft zu haben. Das ist der entscheidende Punkt für die notwendigen Langfristvereinbarungen zur Sedimentverbringung.“ Der Süderelberaum brauche jetzt zusätzliche Maßnahmen, so die SPD. Kienscherf: „Angesichts der zunehmenden Starkregen-Ereignisse braucht es jetzt konkrete Vorbereitungen zum Bau eines neuen Schöpfwerkes und Gewässerunterhaltungsmaßnahmen. Einen entsprechenden Antrag von SPD und Grüne hat die Bürgerschaft beschlossen.“
Der Wahlkreisabgeordnete für Süderelbe, Matthias Czech (SPD), ergänzt: „Die Frage, ob man die Alte Süderelbe wieder öffnen sollte, ist hier im Wahlkreis ein sehr emotionales Thema. Wir haben auf der einen Seite die Bedenken des Obstanbaus, der um seine Flächen und die Bewässerungsmöglichkeiten fürchtet. Dazu kommt die Besorgnis, dass die Öffnung der Alten Süderelbe die Deichsicherheit beeinträchtigen könnte und somit der Schutz vor Sturmfluten auf der Strecke bleibt. Besonders der Hochwasserschutz ist ein wichtiges Thema hier in Süderelbe. Um Wetterextremen begegnen zu können, haben wir im letzten Oktober mit unserem Antrag in der Bürgerschaft den Bau von zwei Schöpfwerken im Storchennestsiel und an der Estemündung gefordert. Diese sollen zukünftig die Entwässerung bei Binnenhochwasser und zugleich geschlossenen Sperrwerken sicherstellen und ein wichtiger Beitrag zum Hamburger Hochwasserschutz sein. Vor diesem Hintergrund werden wir in Bezug auf eine Öffnung der Alten Süderelbe sicherlich keine Beschlüsse fassen, die dem Hochwasserschutz entgegenstehen. Dies alles soll in der weitergehenden Prüfung berücksichtigt werden.“ Czech verspricht: „Zusätzlich wird es einen intensiven Bürgerdialog in den Stadtteilen Finkenwerder, Francop, Moorburg, Neuenfelde und Cranz geben, und parallel sind auch vertiefende Gespräche mit den lokalen Stakeholdern wie den Obstbauern, den Wasserverbänden und der Interessengemeinschaft Alte Süderelbe vorgesehen. Wir werden alle Interessierten im Wahlkreis in die Diskussion einbeziehen. Die Ergebnisse müssen wir dann mit unseren Nachbarn in Schleswig-Holstein abstimmen, um so zu einer gemeinschaftlichen Planung für die Tideelbe zu kommen.“