Weitere vier Jahre in Berlin

So hat der Wahlkreis 23 Harburg-Wilhelmsburg-Bergedorf gewählt. Erststimmen

Weitere vier Jahre in Berlin.

Metin Hakverdi (SPD): Direktmandat mit großem Vorsprung.

Metin Hakverdi und seine SPD sind am Sonntag aus den Bundestagswahlen im Wahlkreis Harburg/Wilhelmsburg/Bergedorf als unangefochtene Sieger hervorgegangen – bei den Erst- und Zweitstimmen gleichermaßen.
Es war Januar und es lag noch Schnee, als Metin Hakverdi mit ersten Wahlkampfveranstaltungen startete, noch bevor andere einen Gedanken daran verschwendet hatten. Dieser Linie blieb er bis zum 25. September, dem letzten Wahlkampftag, treu. Eine Strategie, die sich bezahlt gemacht hat, denn der Direktkandidat hat im Wahlkreis Harburg/Wilhelmsburg/Bergedorf ein beachtliches Erststimmen-Ergebnis für die SPD: 39,3 % (33,5 % Zweitstimmen).
Woche für Woche war Hakverdi im Wahlkreis unterwegs, machte seine Auftritte (presse)öffentlich und legte auch ein viel diskutiertes Verkehrskonzept für den Hamburger Süden, der diesbezüglich arg gebeutelt ist, auf. Die Wähler honorierten es. Mit den knapp 40 Prozent der Erststimmen hat er sein Bundestagsmandat ein weiteres Mal verteidigt und zieht für seine dritte Abgeordnetenperiode ins deutsche Parlament. Die SPD Harburg freut sich naturgemäß über das hervorragende Abschneiden ihres Direktkandidaten. Die Harburger SPD-Kreisvorsitzende Ronja Schmager, die auf Platz 5 der SPD-Landesliste kandidiert hatte, den Sprung nach Berlin jedoch nicht schaffte, sagte nach den ersten Hochrechnungen: „Wir gratulieren Metin Hakverdi zu diesem großartigen Ergebnis und freuen uns, dass Harburg und Bergedorf für vier weitere Jahre durch eine starke sozialdemokratische Stimme in Berlin vertreten wird.“ Der aus Wilhelmsburg stammende Jurist Hakverdi ist seit 2013 Mitglied des Bundestages und war Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und im Finanzausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss.
Der CDU-Kandidat Uwe Schneider erzielte – wenn es denn ein Trost ist – mit 16,9 % der Erststimmen (CDU-Zweitstimmen 16,2 %) noch halbwegs einen Achtungserfolg, wenn man angesichts der CDU-Zahlen von Erfolg sprechen kann. Immerhin: Schneider – anders als Hakverdi und Manuel Sarrazin (Grüne) kein Berufspolitiker – konnte den Grünen, seit 12 Jahren im Bundestag, obwohl der sein Ergebnis von 2017 auf jetzt 15,5 % verdoppeln konnte, um einen Prozentpunkt überrunden.
In Anlehnung an seine Schwimmaktion am Wahlsonntag in der 13 Grad kalten Este – er schwamm für einen guten Zweck zu seinem Wahllokal – ging er praktisch und auch im übertragenen Sinn baden und war sein Mandat mit 1,4 Prozentpunkte weniger als Schneider) los; auch Platz 3 auf der Landesliste und 17,8 % für die Grünen bei den Zweitstimmen in Harburg) zog nicht.
In allen Wahlkreisen schaffte es die FDP, bei den Zweitstimmen zweistellig zu werden – selbst in Harburg/Bergedorf. Besonders Harburg ist wahrlich kein ausgewiesenes liberales Pflaster. Selbst bei den Erststimmen konnte die Liberale Sonja Julia Jacobsen 8,5 % verbuchen.
Die Linke stürzte im Wahlkreis Harburg von 11,2 auf 6,3 % ab (Zweitstimmen), in Nord blieb sie gar unter 5 Prozent. Ihr Wahlkreiskandidat Stephan Jersch vereinigte 6,7 % der Erststimmen auf sich. Die AfD musste sich im Wahlkreis (Zweitstimmen) mit 8 % gegenüber 11,5 vor vier Jahren begnügen. Für die AfD-Direktkandidatin Olga Petersen stimmten 8,2 % (Erststimmen).
Und wie hat Harburg „in der Fläche“ gewählt: Ihr bestes Ergebnis erzielte die SPD mit 54,2 % im Wahllokal Am Frankenberg mit 54,2 %, Die Linke verbuchte in Wilhelmsburg (Wahllokal Fährstraße 90) mit 33,3 % ihr Erfolgserlebnis. Weniger erfreulich: Die AfD hat ihre Hochburgen im Wahllokal Felix-Jud-Ring in Allermöhe mit 22,9 %, gefolgt von – ausgerechnet Hausbruch – mit 21,2 Prozent im Wahllokal Lange Striepen (insgesamt in Hausbruch: 12 %).
In Neuland/Gut Moor, Marmstorf und in den Elbdörfern hat die CDU mit jeweils knapp über 20 % ihre besten Ergebnisse erzielt, während die SPD in Wilstorf (37,3), Langenbek, Sinstorf, Hausbruch und Neugraben-Fischbek (jeweils 35 %) punkten konnte. In Harburg-Kern (26,3) und Heimfeld (24,8) hatten die Grünen ihre treuesten Klientel. Ebenfalls in Heimfeld fuhren die Linken mit 7,9 % ihr bestes Ergebnis ein, während sie in den Elbdörfern, in Hausbruch und in Neugraben-Fischbek unter 5 % blieben. Die FDP glänzte in Neuland/Gut Moor mit 13,6 % sowie in den Elbdörfern mit 11,3 % und wurde mit Ausnahme von Harburg-Kern, Wilstorf, Heimfeld und Hausbruch überall zweistellig.
Wilhelmsburg ging mit 35,2 % an die SPD, die Grünen lagen mit 19,2 % auf Platz 2, gefolgt von der Linken mit 12,7. Selbst in Wilhelmsburg brachte es die FDP noch auf 6,5 %, die AfD landete bei 6,4 %, während sich die CDU mit 9,9 % bescheiden musste.
Erstmalig war – auch in Harburg – das Team Todenhöfer angetreten und erreichte mit 1,4 % neben der Partei dieBasis (Partei der Impfskeptiker), die auch zum ersten Mal ins Rennen gegangen war, mit 1,5 % ein so nicht erwartetes Ergebnis und waren damit Spitzenreiter unter den Parteien, die die Statistik „Unter anderen“ auflistet. Und: 45 Prozent der Wahlberechigten im Wahlkreis bevorzugten die Briefwahl und lagen damit unter der Quote aus den übrigen sechs Bezirken, die bei über 50 % lagen. Die Wahlbeteiligung lag bei 77 %.
Persönlich kann ich mit dem Wahlergebnis zufrieden sein, und ich hoffe auf eine Politik der Vernunft und des Verstandes. Mit Rot-Grün-Gelb könnte das gelingen. Notwendig wird jedoch für SPD, Grüne und FDP die Entideologisierung ihrer politischen Vorstellungen und Absichten. Das würde dazu führen, dass Eigeninteressen und die Interessen der jeweiligen Klientel ignoriert würden. Die politische Selbstbefriedigung muss passé sein, sagte indessen Manfred Hoffmann, Mitglied der Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cranz.
Die Bundestagswahlen hätten eine Koalition dieser drei Parteien möglich gemacht, fuhr er fort und es sei zu wünschen, „dass sie im Allgemeinwohlinteresse der Bürgerinnen und Bürger zusammenfinden und nicht zum Wohle ihrer Interessengruppen operieren. Diese Koalition muss durch ein differenziertes Denken und Handeln auf die Herausforderungen des Heute und der Zukunft mit souveränem Verstand reagieren. Was nicht gebraucht wird, ist ein Begründen aus alten politischen Sichtweisen mit modernem Vokabular. Die Veränderung durch die digitale Umwälzung sozialer, ökonomischer und kultureller Ordnungen sowie die als Bedrohung empfundene Migrantenbewegung müssen zukünftig im Mittelpunkt rationalen politischen Denkens und Handeln stehen.“ Der schwerste Kampf sei hierbei der Kampf gegen Unwissen.
Hoffmann weiter: „Für mich wäre das Wichtigste, für unsere Zukunft ein Bildungssystem zu schaffen, welches unsere Kinder für die digitale Welt qualifiziert, aber ebenso befähigt für ein verantwortungsvolles, vernunftbestimmtes, aufgeklärtes Selbstbewusstsein. Wir müssen zu einer demokratischen Gesellschaft kommen, in der Wissen, Können, Verstand und Vernunft die zentralen Voraussetzungen des ökologischen, ökonomischen und des sozialen Handelns sind.“