St. Johannis Turm wird abgerissen!

Fotos: pm -Bis Weihnachten wird der 40 m hohe Glockenturm von St. Johannis voraussichtlich aus der Harburger Skyline verschwunden sein

St. Johannis Turm wird abgerissen!.

CDU-Kritik an Entscheidung der Kirchengemeinde.

Die Würfel sind gefallen. Der Turm der St. Johanniskirche in der Bremer Straße wird abgerissen. Die Arbeiten werden voraussichtlich noch im Sommer beginnen, bis zum Jahresende soll er aus dem Stadtbild verschwunden sein. Das teilte die Gemeinde-Pastorin Sabine Kaiser-Reis, die gleichzeitig auch Vorsitzende des Kirchengemeinderats ist, am Montag gemeinsam mit der Kirchenvorsteherin Janina Krüger mit. Sei gut zwei Jahren hat sich die Kirchengemeinde mit dem Zustand und den Chancen des zwischen 1952 und 1954 gebauten und mittlerweile denkmalgeschützten Turm zu erhalten, intensiv befasst, wie auch die lokale Politik. Mit der Vorstellung, dass die Kirche zukünftig keinen Glockenturm mehr hat, müsse man sich nun Schritt für Schritt nicht nur abfinden sondern das auch innerlich verarbeiten, sagte die Pastorin ein ums andere Mal und es war ihr anzumerken, dass ihr bei diesem Gedanken unwohl war.
Gleichwohl hätten für eine Instandsetzung (nicht Sanierung) des Turms von dessen Spitze das Kreuz, die fünf Glocken und die Turmuhr schon längst entfernt wurden, 1,5 Millionen zur Verfügung gestanden. 750.000 Euro hatte der Harburger CDU-Fraktionsvorsitzende Ralf-Dieter Fischer in Berlin (im Haushaltsausschuss) losgeeist, weitere 750.000 Euro hatte die Stadt zur Verfügung gestellt. Das Amt für Denkmalschutz wäre bereit gewesen, noch weitere 200.000 Euro bereit zu stellen. „Mit 1,7 Millionen hätte man einiges machen können, um den stadtbildprägenden Turm zu erhalten,“ sagte Fischer, doch die Gemeinde habe sich – weil sie Folgekosten gescheut habe – leider anders entschieden. In der Tat. Wie Sabine Kaiser-Reis bestätigte, hätte die Gemeinde nach einer Instandsetzung etwa 15 Jahren halbwegs Ruhe gehabt, dann wären – Stand heute – 500.000 Euro fällig gewesen. Dafür hätte die Gemeinde jedoch in den nächsten Jahren – so ihre Sicht der Dinge – bis zu 30.000 Euro pro Jahr sparen müssen, um sich an den dann anstehenden Sanierungsarbeiten mit den damit verbundenen Folgekosten zu beteiligen. Mit Kosten in Höhe von insgesamt 2 Millionen hätte man dann aus heutiger Sicht rechnen müssen, so Janina Krüger. Die dann notwendigen Einsparungen hätte 60% der Mittel über die die Kirchengemeinde verfügt, ausgemacht, erläuterte die Kirchenvorsteherin, die sich in der Nordkirche hauptberuflich mit dem Thema Finanzen befasst. Nicht zuletzt habe man auch damit rechnen müssen, dass der Eigenanteil der Gemeinde steigt – bei stetig sinkenden Einnahmen aufgrund des demografischen Wandels.
Unter solchen Umständen, so die Befürchtung, wäre die die Gemeindearbeit zu kurz gekommen – bei laufenden Kosten. Die Pastorin: „Wir haben deshalb beschlossen, in Menschen und nicht in Steine zu investieren“ – zumal man die Bausubstanz als solche nicht sanieren könne.
Der Zahn der Zeit hat am Turm aus Stahlbeton genagt. Die Schäden an der Betonhülle, die aus ästhetischen Gründen – um den Turm noch schlanker erscheinen zu lassen – sehr dünn ausgefallen war (zu dünn, wie sich heute zeigt) sind mit freiem Auge zu sehen. Der dünnen Betonschicht machten die Witterungseinflüsse zu schaffen. Vor einigen Jahren hatte man das Stahlgestell schon einmal neu mit Beton ummantelt, aber auch das erwies sich nicht als dauerhafte Lösung.
So wie man 1952 gebaut hat dürfte man heute eh nicht mehr bauen, so Kaiser-Reis. Trotzdem: Es wurden Gutachten erstellt und Fachleute konsultiert, bis die letzte Gutachterin schließlich einen Baustopp verhängte. Ein Jahr gab sie dem Turm noch aus rechtlicher Sicht, dann bestünde die Gefahr, dass sich Gesteinsbrocken vom Turm lösten und herunter fielen. Dort aber befindet sich eine Bushaltestelle. Also musste gehandelt, sprich es mussten Nägel mit Köpfen gemacht werden: Man beantragte als Eigentümer den Abriss. Wenn der Eigentümer kein Geld für die Sanierung bereit stellen kann, ist das Amt für Denkmalschutz befugt, sein OK für den Abriss eines denkmalgeschützes Objektes zu geben. So auch in diesem Fall.
Zu einem späteren Zeitpunkt, als dann die 1,7 Millionen zur Verfügung standen, hätte die Kirchengemeinde sich noch umentscheiden und den Turm instandsetzen können, meint Ralf-Dieter Fischer. Denn heute wisse man noch nicht, welche technischen und vielleicht auch finanziellen Möglichkeiten sich in zehn Jahren bieten würden. In der Gemeinde sei jedoch die Angst vor finanziellen Verlusten ausschlaggebend gewesen, bedauerte Fischer und sagte: „Für diese Vorgehensweise habe ich wenig Verständnis“. Die Angst, schon jetzt für eventuelle Folgekosten ansparen zu müssen, sehe er nicht, zumal die Stadt auch bei anderen Kirchengemeinden immer wieder bekundet habe, sich anteilig an (Folge)Kosten zu beteiligen.
Sabine Kaiser-Reis verweist auch darauf, dass die Gemeinde noch drei weitere denkmalgeschützte Kirchen außer St. Johannis (noch St. Paulus, die Lutherkirche und Dreifaltigkeit) zu betreuen habe – verbunden mit hohen Energiekosten. Auch vor diesem Hintergrund habe man sich wenn auch schweren Herzens für diesen Schritt entschlossen.
Ob es irgendwann einmal einen kleinen „Ersatzturm“ gibt, darüber ist noch nicht gesprochen worden, sagte die Pastorin. Ein bisschen Mut gemacht habe ihr vor einigen Tagen der Fernsehbericht über eine alte Zisterzienserkirche in Frankreich gemacht. Die habe nie über einen Turm verfügt. Trotzdem falle es ihr schwer, sich an eine Kirche ohne Glockengeläut zu gewöhnen, selbst wenn das schon seit 2019 ausfällt.