„Probleme werden immer größer!“

Jan Greve - Die Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek hat mit den Vorsitzenden der Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen das 2-Jahres-Review zum Bürgervertrag Neugraben-Fischbek durchgeführt. Mit von der Partie Björn Greve Sven Blum Birthe Greve Anjes Tjarks Dirk Kienscherf Holger Böhm und Jan Greve (v.l.n.r.)

„Probleme werden immer größer!“

Bürgervertrag Neugraben:BINF zieht kritische Bilanz

Die Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek hat mit den Vorsitzenden der Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen das Zwei-Jahres-Review (kritische Überprüfung) zum Bürgervertrag Neugraben-Fischbek durchgeführt. Fokus des Gespräches war die Überforderung des Stadtteils bei der sozialen Infrastruktur sowie Möglichkeiten zum Abbau der Platzkapazitäten der Öffentlichen Unterbringung (örU) in den kommenden Jahren.
2016 wurden zwischen dem Senat und der Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek (BINF) ein Bürgervertrag geschlossen, der ein Baustein zur Beilegung der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ war. Im Vertrag wurden Regelungen zu dem Mengengerüst und der zeitlichen Dimensionierung der Flüchtlingsunterbringung sowie notwendige Anpassungen an die Infrastruktur in Süderelbe geregelt. Gleichzeitig wurde festgelegt, die im Vertrag getroffenen Vereinbarungen regelmäßig zu überprüfen, um bei Fehlentwicklungen rechtzeitig gegensteuern zu können.
Zu diesem jährlichen Review trafen sich Vertreter des Orga-Teams der BINF sowie die Fraktionsvorsitzenden der Bürgerschaftsfraktionen Dirk Kienscherf (SPD) und Anjes Tjark (GRÜNE) am 14. Juni. Im Vorfeld wurde seitens der BINF eine Bewertung nach der Ampel des Dachverbandes Initiativen für Integration (ifi) vorgenommen. Dort haben sich erledigten Punkte des Bürgervertrages auf mittlerweile 62 Prozent aufsummiert.
Auffällig sei der Anstieg von Punkten mit hohem Risiko im Vergleich zur letzten Auswertung auf 15 Prozent. Beide Vertragsparteien würdigten die bisher erreichten Ergebnisse, unter anderem die Einhaltung der vereinbarten Unterkunftsgrößen, die Vereinbarungen zum Orientierungs- und Verteilungsschlüssel, zusätzliche Kapazitäten bei Polizei und Sozialarbeit, angekündigte Neuzulassungen für Ärzte sowie bauliche Vorleistungen, die Einrichtung eines Quartiersbeirates sowie Stadtentwicklungsgelder, die Einrichtung von Langzügen auf der S3 sowie Sportanlagenbau. Die BINF hat dazu den Fraktionsvorsitzenden ein 13 Punkte -Papier übergeben. In diesem Papier werden Vorschläge für die Stabilisierung der sozialen Infrastruktur in Süderelbe gemacht:1. Ausbaupläne für Schulen umgehend neu überarbeiten. 2. städtische Träger mit vordringlichem Kita- Ausbau beauftragen. 3. Schulpersonal im Stadtteil massiv ausbauen / Lehrerflucht aus Süderelbe stoppen. 4. Vereinbarte Straßensozialarbeit bis 2021 ausfinanzieren. 5. notfalls Aufhebung der wohnortnahen Beschulung für Kinder mit Fluchthintergrund. 6. Anteil Kita-Kinder mit Fluchthintergrund (mind. in Neubau-Kitas) auf 20 Prozent begrenzen, um bessere Integration zu erreichen. 7. Anteil Schüler mit Fluchthintergrund in Klassen auf 20 Prozent begrenzen, um für sie bessere Lernchancen zu garantieren. 8. keine weitere Neubelegung der örU im Stadtteil durch fördern + wohnen ab 2019 zur Stabilisierung der sozialen Infrastruktur. 9. klare Priorisierung der Bereitstellung sozialer Infrastrukturen vor dem Weiterbau von Wohnungen (Infrastruktur First). 10. vorzeitige Aufgabe der Reservehaltung Standort Geutensweg. Sofortiger Planungsbeginn der Folgenutzung. 11. schrittweise Rückführung der Reihenhäuser Aschenland III an die SAGA für die reguläre Vermietung. 12. ernsthafte Prüfung eines kommunalen MVZ durch die BGV. 13. Linienaustausch S31/S21 in Altona, um den Einsatz der Langzüge auf der S31 möglich zu machen. Diese Vorschläge wurden intensiv diskutiert und werden nun teilweise durch die Fraktionsvorsitzenden in die Behörden eingebracht.
Dazu Orga-Mitglied Sven Blum: „Die Stimmung in Neugraben-Fischbek wurde durch einen Konsens befriedet. Trotz allem ist die Arbeit nicht zu Ende, viele Dinge, die schon bei den geplanten 5.000 Plätzen als infrastrukturelle Überforderung kritisiert wurden, treten nun auch bei der reduzierten Platzzahl auf. Daher können wir uns nicht ausruhen, sondern müssen weiter um praktische Lösungen ringen.“ Orga-Mitglied Ute Skolinski ergänzt: „Das Risiko einer stetigen Nachbelegung der örU-Plätze und einem damit verbundenen hohem Nachfragedruck auf Sozialwohnungen in den Neubaugebieten – von uns bereits 2016 vorhergesehen und als Drehtüreffekt bezeichnet – ist mit Nichten gebannt. Hier sind alle Bürger aufgefordert den politischen Diskurs zu suchen und sich demokratisch einzubringen. Der Stadtteil hat einen großen Vorschuss zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in Hamburg geleistet, es ist an der Zeit, dass Hamburg etwas zurückgibt.“ Orga-Mitglied Birthe Greve erklärt: „Die Probleme mit der sozialen Infrastruktur werden trotz angekündigter Maßnahmen des Senates immer größer. Denn bereits heute werden im Neubaugebiet Vogelkamp mehr Kinder eingeschult, als der Senat in seinen Planungen zum Ausbau der Schulen im Stadtteil unterstellt hat! Eine neue Kita ist bereits vor Eröffnung ausgebucht! Die Kita-Träger geben offen zu, dass eine fehlende Durchmischung die Arbeit deutlich erschwert! Bereits 3.000 Menschen sind in den Stadtteil zugezogen, aber immer noch kein Arzt ist dazu gekommen! Unter diesen Gesichtspunkten ist höchst fraglich, ob wir in diesem Tempo weiter machen können. Wir sind der Meinung, wir sollten innehalten und das Motto „Infrastruktur First“ ausrufen, bevor wir weitere Wohnblöcke hochziehen. Die Bürger, die einen neuen
Lebensmittelpunkt suchen, haben gute Rahmenbedingungen verdient!“