„Maßnahmen nicht im Einklang mit den berechtigten Interessen der Bewohner“

W. Marsand -Die mögliche Öffnung der Alten Süderelbe wird kontrovers diskutiert

„Maßnahmen nicht im Einklang mit den berechtigten Interessen der Bewohner“.

Bürgervertretung kritisiert Empfehlung des Forums Tideelbe.

Nach der Empfehlung des „Forum Tideelbe“, die Alte Süderelbe wieder für den Anschluss an die Tideelbe zu öffnen, mehren sich die skeptischen Stimmen.
Zu den Kritikern gehört auch die Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cranz, die sich nach intensiver Diskussion des Ergebnisberichts des Forums Tideelbe einhellig gegen die Wiederanbindung der Alten Süderelbe an die Tideelbe ausgesprochen hat. Sie sehe im Zusammenhang mit anderen für den Süderelberaum vorliegenden Planungen in dem Forum-Tidebericht keine ausreichende Begründung für die Wiederöffnung der Alten Süderelbe. Die Bürgervertretung lehne die grundsätzlichen Ziele des Vorhabens nicht ab. Die Sinnhaftigkeit der beabsichtigten Maßnahmen wie eine Dämpfung des Tidegeschehens und damit eine Verringerung des Transportes von Sedimenten stromaufwärts und eine Gewinnung von Flutraum wird gar nicht bestritten, aber die Bürgervertretung sehe, dass diese Maßnahmen hier vor Ort nicht im Einklang mit den berechtigten Interessen und Forderungen der Bewohner dieser Region stehen, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dem RUF.
„Was u.E. bei all diesen Überlegungen und Planungen nur eine geringe Rolle spielt, ist der Bürgerwille. Zwar gibt es gewisse Bürgerbeteiligungsakte. Die Verwaltung und die von ihr beauftragten Institutionen bedienen damit den Bürger, aber eben nicht im Sinne von Partizipation, sondern von diskutierbarer Information. Seine Einflussname auf Entscheidungen muss er sich durch organisierte Ausübung der Meinungsfreiheit gegenüber den politischen Entscheidungsträgern „erarbeiten“.
Für das Projekt „Wiederanbindung der Alten Süderelbe an den Tidestrom Elbe sieht daher die Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cranz keine mehrheitliche Akzeptanz in der Bevölkerung des Hamburger Alten Landes mit seinen Ortsteilen Neuenfelde, Francop, Cranz, in Finkenwerder, Moorburg darüber hinaus“, erklärte der Sprecher der Bürgervertretung, Manfred Hoffmann. Die Gründe für die Ablehnung mache die Bürgervertretung vorranging an folgenden Bewertungsgrößen fest:
„Die Wiederöffnung bringt für die Ziele Tidehub und Sedimentreduzierung zu wenig, um allgemeine Zustimmung zu bekommen, aber für die Bürgerschaft vor Ort vielerlei Nachteile und für die Stadt zu hohe und unverantwortbare Kosten. Es wird ein hochwertiges Biotop zerstört, und zwar unwiderruflich. Es wird zu einem verstärkten Grundwasserkontakt kommen – durch Wasserstandschwankungen und Baggerungen -, was auch die Wasserqualität negativ verändern wird.
Eine der Tidedynamik geöffnete Alte Süderelbe wird ihr Tidevolumen mit der Zeit wieder durch Sedimentation und Verschlickung ständig verringern, und damit geht auch der erhoffte Effekt wieder verloren. Die Verschlickung dürfte unausweichlich sein und mit ihr eine erhöhte Verlandung. Das projektierte Tidevolumen müsste ständig durch Unterhaltungsbaggerungen aufrechterhalten werden.“
Weitere negative Folgen wären aus Sicht der Bürgervertretung: Die Salzbelastung der Unterelbe wird beachtlich zunehmen (Verschiebung der Brackwasserzone stromaufwärts). Durch die Bewässerung und Beregnung mit Elbwasser im Obstbau wird es zu Ernteverlusten kommen und damit zu betriebswirtschaftlichen Problemen für die Landwirtschaft. Bau- und Unterhaltungskosten würden enorm hoch sein. Es sei nicht klar zu erkennen, inwieweit finanzieller Aufwand und Wert der Maßnahmen einander entsprechen. Der Hochwasserschutz müsse wesentlich erweitert und verbessert werden. Die wasserwirtschaftliche Neuordnung müsste „neu geordnet“ werden. Die Wassersicherstellung der Frostschutzberegnung für den Obstbau sei jedoch von Seiten der Stadt zu garantieren. Die Standsicherheit des Schlickhügels Francop wäre zu überprüfen und eventuell zu stabilisieren, zählt Hoffmann auf.
Außer Acht gelassen, so Hoffmann weiter, wird auch eine dezidierte Darlegung über den notwendigen Erwerb privater Flächen und der Konsequenzen, die sich aus einer Nicht-Einigung mit den Eigentümern ergeben würden. Ebenso wird die Rechtslage hinsichtlich der Durchsetzung einer Wiederöffnung erkenntnismindernd nicht thematisiert. „Anzumerken wäre auch, dass im Ergebnisbericht Aussagen zu betroffenen Planungen aus der Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung, dem Landschaftsplanerischen Entwicklungskonzept und dem Siedlungsentwicklungskonzept Cranz-Neuenfelde-Francop zwar nicht fehlen, jedoch werden keine substanziellen Aussagen gemacht, wie diese Projekte bzw. Bestandsobjekte bei einer Wiederöffnung ihrer Funktion gerecht werden sollen (Beispiel: Schlickdeponie Francop). Auch fehlen im Ergebnisbericht Vorschläge für ein Handlungs- und Maßnahmenkonzept, wie die geplanten Veränderungen kompensiert werden sollen, z.B. wird auf die obstbauliche Betroffenheit und auf den erforderlichen Deichbau für den Bürger nicht entscheidungsfähig eingegangen“, ergänzt Hoffmann.
Aus der Sicht der Bürgervertretung verstieße der Senat und die Politik mit der Wiederöffnung auch gegen ihre ständig wiederholten Versprechen, den „Kulturlandschaftsraum Süderelbe für den Obstbau, die Erholungsnutzung und den Erhalt natürlicher Ressourcen“ zu sichern und entwickeln. Die Wiederöffnung kann „nun ganz bestimmt nicht in diesem Sinne“ gedeutet werden. Sie sei als Ausbau eines Gewässers zu begreifen, denn es würde ein neuer Elbefluss-Seitenarm entstehen und es käme zu einer wesentlichen Umgestaltung des bestehenden Gewässers, so der Sprecher.
„Es ist auch sehr in Frage zu stellen, ob die Wiederöffnung der Alten Süderelbe für den Tidestrom überhaupt im Interesse des Gemeinwohls liegt, denn durch die Wiederöffnung gehen nach unserer Auffassung viele nachteilige Wirkungen auf die Rechte (besonders wieder auf Eigentumsrechte) von Menschen, die hier leben, aus.
Die verantwortliche Politik sollte sehr genau überlegen, ob sie die Wiederöffnung weiter betreiben will oder ob sie nicht doch im wohlverstandenen Interesse der Bürgerinnen und Bürger nach anderen Lösungen für das Problem sucht. Übrigens – auch das ist ein Manko des Berichts: Er sagt nicht, ob überhaupt über Alternativen zur Wiederöffnung der Alten Süderelbe nachgedacht worden ist“, gibt Hoffmann zu bedenken.