Haupt- und Freizeitrouten: Radverkehrsnetz im Fokus

OpenStreetMap -Das bezirkliche Radverkehrsnetz Harburg soll Eingang in das in Aussicht gestellte neue Hamburger Bündnis für den Radverkehr finden

Haupt- und Freizeitrouten: Radverkehrsnetz im Fokus.

Neue Wasmerstraßenbrücke und Bahnquerung notwendig.

Der Bezirk Harburg soll Fahrradstadt werden. „Das birgt besondere Chancen und Herausforderungen“ – darin sind sich namens ihrer Parteien Frank Wiesner, Fachsprecher Mobilität und Inneres der SPD-Fraktion und Fabian Klabunde, Fachsprecher für Mobilität der Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung, einig. Landschaftlich sei Harburg der schönste Bezirk, dafür seien die Strecken oft länger als in anderen Bezirken, sei es aus Süderelbe ins Stadtzentrum oder „nach Hamburg“ über die Elbe.
Im rot-grünen Koalitionsvertrag für die Jahre 2019-2024 ist die Entwicklung eines bezirklichen Radverkehrskonzeptes vorgesehen. Dieses soll alle größeren Wohngebiete miteinander und mit den wichtigen Zielen und Zentren verbinden. Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen auf Senatsebene stellt darüber hinaus ein neues Bündnis für den Radverkehr in Aussicht, bei dem bezirkliche Radverkehrsnetze im Fokus stehen. Nicht zuletzt wird angekündigt, diese in der Regel als potenzielle Fahrradstraßen zu bewerten.
Frühere Anläufe zu einem bezirklichen Radnetz gab es, wie Wiesner erläuterte, bereits 2008 durch die Projektgruppe Velorouten für Harburg im Rahmen der lokalen Agenda 21 sowie 2009 mit der von der Schmeck-Juncker Ingenieurgesellschaft für das Bezirksamt Harburg erstellte Radverkehrsuntersuchung. Diese sind seinerzeit nicht zur Umsetzung gekommen, nun aber in dieses Konzept eingeflossen.
Was ist vorgesehen?
Die Veloroute 10 wird derzeit noch zweifach über die B73 verschwenkt, weil Verbindungen zwischen den nördlich der Gleise verlaufenden Straßen fehlen. „Hier muss eine Bahnquerung an der Seehafenstraße sowie ein neuer Tunnel unter den Gleisen zwischen Dubben und An der Strecke hergestellt werden. Auch eine gradlinige Verbindung von der Francoper Straße zu Im Neugrabener Dorf im Routenverlauf ist anzustreben. Die Freizeitroute 6 (Hamburg – Harburg – Sinstorf) sollte nach der Elbbrücke über die Hafenschleuse durch den Binnenhafen geführt werden. Zudem wird in Sinstorf angeregt, mittelfristig zwischen Moorlage und dem Beetenweg eine neue attraktive Wegeführung abseits der Winsener Straße zu schaffen.
Die Freizeitroute 11 (2. Grüner Ring) sollte nach der Elbbrücke in Neuland über den neuen Fuß-Radweg entlang des neuen Gewerbegebietz zum Neuländer Weg (Ostseite) geführt werden. Dies erspart etwas Weg und meidet den steilen Anstieg im Wendtsweg. Perspektivisch sollte die Route auch über eine Wasmerstraßenbrücke über Wilstorf zur Außenmühle verlaufen.
Die Freizeitroute 13 ( Finkenwerder – Fischbeker Heide) sollte nicht mehr über die 3. Meile, sondern über den Nincoper Moorweg nach Fischbek verlaufen.
Einige Hauptachsen für den Radverkehr hat Hamburg bereits in den Bezirk gelegt: Die Velorouten 10 und 11 durchziehen den Bezirk grob von Ost nach West und von Nord nach Süd, die Radschnellwege der Metropolregion sollen die Großräume Buxtehude/Stade/Finkenwerder, Buchholz sowie Lüneburg anschließen. Darüber hinaus hat der Hamburger Senat ein Netz von Freizeitrouten (Strecken 6, 7, 11, 13 und 14) definiert, das Harburg u.a. auf dem 2. Grünen Ring sowie durch die Harburger Berge durchzieht, erläuterte Klabunde. Sollten sich die Trassen der Hamburger Routen noch ändern, werde das Radnetz Harburg entsprechend angepasst, hieß es. Das gilt auch, wenn die Trasse Buchholz – Hamburg feststeht.
In Analogie zu diesen vom Senat geplanten Routen sollen nun von Harburger Seite zusätzliche Hauptrouten für den Alltagsverkehr sowie für den Freizeitverkehr festgelegt werden, die ein grobes Netz über dem Bezirk bilden. Alle genannten Strecken sollen auch ausgeschildert werden, sofern dies noch nicht geschehen ist. Dies soll Ortsunkundige und Unerfahrene auf den richtigen Weg bringen. Äber diese Hauptrouten hinaus wird das Netz durch weitere Fahrradstrecken ergänzt und verdichtet. Diese Strecken müssen nicht ausgeschildert werden, da sie mehr dem lokalen Verkehr dienen (z.B. Wege zu Schulen), auch hier muss aber auf einen gehobenen Radfahrstandard geachtet werden. Neben der geographischen Festlegung dieser Routen und Strecken werden in dem von der rot-grünen Koalition formulierten Papier für das Radnetz Harburg Mindeststandards definiert, teilweise in Abgrenzung zu den Standards für die Routen des Hamburger Senats.
Die bezirklichen Standards sind bewusst so formuliert, so Wiesner weiter, „dass sie in der Regel ohne erhebliche bauliche Anpassungen der jeweiligen Straßenräume erreicht werden können. Die Begründung dafür ist, dass der Bezirk nur über begrenzte Mittel für den Straßen- und Radwegeausbau verfügt.“ Wenn aber in überschaubarer Zeit ein gut nutzbares Radnetz entstehen soll, „muss dies auch mit dem Mitteln des Bezirks und überschaubarer Unterstützung von gesamtstädtischer Seite leistbar sein“, erwartet Klabunde. Das gelte sowohl für die finanziellen Ressourcen für die erforderlichen Baumaßnahmen als auch für die planerischen Kapazitäten für die vorbereitenden Arbeiten.
Die folgende Aufzählung umfasst die angemessenen Ausstattungsstandards des Bezirksroutennetzes. Zu verstehen sind sie, wie die beiden Fachsprecher erklärten, als „nach oben offen“. Wenn sich also herausstellt, dass mit gleichem oder geringfügig höherem Aufwand auch ein höherer Standard für die gleiche Wegeverbindung erzielt werden kann, wäre dieser vorzuziehen. Grundsätzlich gelte für dieses Netz der Grundsatz, „dass der vorhandene Radverkehrsstandard nicht gesenkt werden darf.“
Weiter heißt es in dem Papier: „Dort, wo perspektivisch mit einem höheren Anteil an Radverkehr als Kfz-Verkehr zu rechnen ist, erlaubt die StVO die Anordnung einer Fahrradstraße. Dieses Potenzial erscheint für Harburg noch bei weitem nicht erschlossen. Entgegen der verbreiteten Ansicht, dass Fahrradstraßen den Fahrrädern vorbehalten sind, kann dort Autofahren durch Zusatzzeichen erlaubt werden, allerdings mit höchstens 30 km/h, zudem genießen Radfahrende grundsätzlichen Vorrang in diesen Straßen.“
Vorgesehen sind:
– auf Fahrbahnniveau geführte, baulich abgetrennte Radfahrstreifen mit einer Mindestbreite von 2 m (Protected Bike Lanes, PBL) auf Straßen mit Tempo 50.
– auf Fahrbahnniveau geführte Radfahrstreifen mit einer Mindestbreite von 2 m ohne bauliche Trennung vom Kfz-Verkehr auf Straßen mit Tempo 50, die zu schmal sind, um die bauliche Trennung aufzunehmen oder bei denen es Parkplätze bzw. Ein-/Ausfahrten nicht erlauben. Um Äberfahrungen durch Kfz zu verhindern, können auf der Markierung vom Radfahrstreifen Noppen oder senkrechte Gummipoller analog zu Fahrstreifentrennungen in Baustellenbereichen auf Fernstraßen vorgesehen werden.
– Anordnung von Tempo 30 (Mischverkehr) auf Straßen ohne ausgewiesene regelgerechte Radverkehrsanlage und auf der Fahrbahn in regelmäßigen Abständen aufgebrachte Fahrrad-Piktogrammen als Aufmerksamkeitserinnerung für Autofahrer*innen. Auch auf Haupt- und Sammelstraßen, deren Straßenraum zu schmal ist, um Radstreifen aufzunehmen, muss sicherer Radverkehr möglich sein.
Damit Radfahrer sich hier subjektiv sicher fühlen, so eine weitere Forderung, muss die Tempodifferenz zwischen Kfz- und Radverkehr verringert werden, indem der Kfz-Verkehr auf Tempo 30 begrenzt wird. Die nicht als Verkehrszeichen geltenden Fahrrad-Piktogramme gebe es in vielen Städten wie z.B. Kiel, berichtet Wiesner. In Hamburg gibt es diese Lösung bereits in der Osterstraße.
Hochbordradwege mit Mindestbreite von 1,80 m zzgl. Sicherheitstrennstreifen an Straßen mit Tempo 50 und hohem Schwerlastverkehrsanteil und/oder 4-spurigem Ausbau. 2-Richtungsradwege seien lediglich bei separater, weitgehend kreuzungsfreier Radwegeführung und einer Mindestbreite von 4 m vorzusehen. Nur so ließen sich die zusätzlichen Risiken des Begegnungsverkehrs Fahrrad-Fahrrad und an Einmündungen und Kreuzungen für die auf der „falschen“ Straßenseite Fahrenden begrenzen. Vor Einmündungen und Kreuzungen sind außerdem Hochbordradwege auf die Fahrbahn abzuleiten und dahinter regelhaft in Form einer „Fahrradweiche“ fortzuführen, es sei denn, der Hochbordradweg ist benutzungspflichtig, „was zukünftig eine seltene Ausnahme sein wird.“ Ab- und Aufleitungen seien dabei grundsätzlich so auszuführen, „dass die Äbergänge rechtwinklig sind, also keine Schrägfahrten erforderlich sind, um vom oder auf den Hochbordradweg zu gelangen.“ Kreuzungen mit Ampeln sollten grundsätzlich sowohl das direkte als auch das indirekte Linksabbiegen für Fahrräder ermöglichen. Zum direkten Linksabbiegen müssen dafür vor der Kreuzung geeignete Möglichkeiten geschaffen werden, sich als Linksabbieger in die Autofahrspuren einzufädeln oder es müssen eigene Linksabbiegestreifen für Fahrräder aufgebracht werden. In der Regel sind vor den Kfz-Aufstellflächen Fahrradaufstellflächen vorzusehen und separate Grünphasen für Linksabbieger sollten für Fahrräder mit eigener Aufstellfläche einige Sekunden vor den Kfz-Signalen geschaltet werden. Dies gilt ebenso für rechtsabbiegende Fahrräder und Kfz.
„Die Harburger Freizeitrouten müssen“, so eine weitere Forderung, „bequem mit einem Alltagsfahrrad befahrbar sein. Dazu sind Schlaglöcher zu beseitigen und eine fahrradgängige, ebene Fahrspur herzustellen, z.B. durch eine wassergebundene Decke und regelmäßige Instandhaltung.“
Die Ausschilderungen sollen mit der Stadt einheitlich gelöst werden, ein Anhaltspunkt könnte demnach das niederländische „fietsknooppunten“-System sein. Ein solches System von durchnummerierten Fahrrad-Knotenpunkten mit Wegweisern zu benachbarten Knotenpunkten und markanten Ziel-Knotenpunkten ist in den Niederlanden, aber auch im Rheinland und Münsterland bereits etabliert.
Die Benennung der Elemente im Radnetz Harburg als Harburger Hauptrouten, Freizeitrouten sowie Netzergänzungsstrecken ist vorläufig.