Die Folgen des Lockdowns abfangen

TITELBILD Fertig bandagiert und bereit fürs Training: Bis zu den Sommerferien gibt es ein Kickbox-Angebot für Kinder und Jugendliche im Reiherstiegviertel Fotos: au

Die Folgen des Lockdowns abfangen.

Kickbox-Projekt für Kinder gestartet.

Interessiert schauen die Kinder zu, wie Eike, Mule Marei, Gianna und Hardy ihnen die Hände mit schwarzen und roten Bandagen fachmännisch verbinden, fragen nach, wickeln selber. „Den Daumen müssen wir schützen, sonst bricht der“, erklärt Kickbox-Trainer Eike Schwarz den Kiddies. Gleich startet das Training auf der kleinen Sportanlage in der Mokrystraße, doch bevor es richtig losgeht, heißt es zuerst: Aufwärmen, eine paar Runden um den kleinen Platz laufen, anschließend noch mal über den Platz hüpfen. Rund 15 Kinder sind an diesem Dienstagnachmittag dem Trainings-Aufruf zum Kickboxen von Gianna Baumann gefolgt, die Woche zuvor waren es sogar ein paar mehr.
Als die 34-Jährige, die die KinderKultur der Honigfabrik Wilhelmsburg mitleitet, vor Kurzem davon hörte, dass Kinder und Jugendliche im Reiherstiegviertel sich zu kleinen Gruppen zusammengetan und Leute beleidigt haben sollen, handelte sie sofort. „Die Kiddies sind mit Frust aufgetreten. Ich schaffe mit dem Kickbox-Training einen Ausgleich, hier können sie ihre Aggressionen rauslassen. Wir fangen quasi nun die Folgen des Lockdowns auf“, so Baumann.
Schulen zu, Sportvereine zu, kaum Kontakte zu anderen Kindern und Jugendlichen: Immer mehr zeichnet sich ab, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die Jüngsten unserer Gesellschaft hat. So hat die COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) ergeben, das sich die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland im Verlauf der Corona-Pandemie weiter verschlechtert hat. Fast jedes dritte Kind leidet ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten. Sorgen und Ängste haben noch einmal zugenommen, auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund betroffen.
Gianna Baumann überlegte nicht lange. Von der Idee bis zum ersten Training vergingen gerade mal zwei Wochen. Ein anonymer Spender hat die finanzielle Anschubfinanzierung geleistet, Gelder kommen zudem vom Stadtteilbeirat und dem Runden Tisch Wilhelmsburg, ein weiterer Antrag liegt im Bezirksamt. Und mit Mule Marei Eckhof und Eike Schwarz hat sie sich zwei erfahrene und engagierte Kickbox-Trainer an die Seite geholt. Bis zu den Sommerferien immer dienstags stehen die beiden auf dem Platz und bringen den Kindern Grundlagen des Kickboxens bei. Neben Bandagieren und den ersten Kicks ganz vorne mit auf der Liste: „Wie gehen wir miteinander um, Respekt vor dem Gegner haben, Respekt vermitteln, ein gesundes Selbstbewusstsein stärken“, erklärt Trainerin Mule Marei Eckhof. Und strikte Regeln gibt es ebenfalls: „Wer das Erlernte außerhalb des Trainings anwendet, ist raus aus dem Kurs. Nur zur Selbstverteidigung darf man es anwenden“, erzählt Eckhof. Auch Hardy Amin vom Haus der Jugend Kirchdorf ist am Projekt beteiligt. „Wir wollen das Projekt ans Haus der Jugend Kirchdorf angliedern und den Kiddies Training am Sonntag anbieten.“