„Der Schlick ist eine Bedrohung für die Region!“

„Der Schlick ist eine Bedrohung für die Region!“.

Demonstration für verlässlichen Hochwasserschutz.

Zum Jahrestag der Flutkatastrophe von 1962 forderten die Teilnehmer einer Demonstration am 17. Februar in der Nähe des Estesperrwerks einen verlässlichen Hochwasserschutz für die Altländer Region, die Einstellung der Elbvertiefung und die Verklappung des Hafenschlicks in der Elbe. Aufgerufen zur Veranstaltung hatte ein Bündnis aus Politikern, Verbänden und Vereinen, Bürgerinitiativen und Unternehmen. In ihrer eingehenden Ansprache brachte die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Dr. Gudrun Schittek die grundsätzliche Problematik auf den Punkt. Die Verschlickung sei in den letzten Jahren so massiv geworden, dass der Hochwasserschutz für das Alte Land nicht gewährleistet sei. So hätten die Fluttore des Estesperrwerkes beispielsweise 2011 und 2019 nicht vollständig geschlossen werden können. Schittek: „Der Schlick ist eine Bedrohung für die Region!“ Schuld an dieser gefährlichen Entwicklung seien ihrer Ansicht nach die aktuellen Ausbaggerungen. Durch die laufenden Baggerarbeiten zur aktuellen Elbvertiefung und verstärkte Verklappung von Hafenschlick vor Neßsand würden sich Schlickmassen an den Sperrwerkstoren ablagern. Die Verklappung von Hafensschlick vor Neßsand muss ausgesetzt werden. Die gesamte Fahrrinne der Este müsse gespült und ausgebaggert werden, um die Tore des Estesperrwerks und damit Hochwasserschutz mit der ersten Deichlinie zu sichern, forderte Schittek, die für den Arbeitskreis Cranz sprach, unter dem Applaus der Anwesenden. Diese Meinung war Tenor aller weiteren Beiträge, die jedoch um bestimmte Aspekte erweitert wurden. So betonte die Geschäftsführerin der Pella Sietas GmbH, Natallia Dean, dass ihre Werft darauf angewiesen sei, „den Schlick aus unserem Hafenbecken zu entfernen, um weiterhin Schiffe bauen zu können und die Beschäftigung am Hamburger Standort zu sichern. Natürlich sei es ihr wichtig, dass die Funktionsfähigkeit des Estesperrwerks zu jedem Zeitpunkt gesichert wäre. Dean äußerte in Richtung Senat, dass schleunigst eine Alternative zu den Wasserinjektionen gefunden werden müsse. Bis heute gebe es keine verlässliche langfristige Perspektive im Hinblick auf die zunehmende Verschlickung, monierte Dean. Pella Sietas könnte das Problem Verschlickung nicht allein stemmen. Dean erinnerte daran, dass die zunehmende Verschlickung der Hamburger Hafenbecken die Pella Sietas-Werft im 2020 besonders hart getroffen habe. Mehrere Monate wäre die Werft nicht betriebsfähig gewesen, wichtige Aufträge konnten nicht fertiggestellt werden, führte Dean aus.
Sie wünsche sich ein koordiniertes Vorgehen gegen die Verschlickung: „In der Vergangenheit haben wir viel in die Weiterentwicklung unserer Werft in Hamburg investiert. Für uns ist deshalb selbstverständlich, dass wir auch unseren Beitrag zum Hochwasserschutz leisten werden. Dies darf jedoch keine Einbahnstraße sein, Werften, Behörden und Zivilgesellschaft müssen hier Hand in Hand arbeiten. Pella Sietas kann dies nicht im Alleingang bewältigen.“
Für den Deichverband 2. Meile Landkreis Stade merkte der Deichrichter und FWG-Abgeordneter im Kreistag Stade, Gerd Lefers an, dass die Einleitung von Baggergut aus der Estemündung über eine Spülleitung in die Elbe zwangsläufig zu verstärkter Verschlickung, und zwar wahlweise abhängig von der Tide, entweder der Hafenbecken oder der Binnenelbe führe. Lefers wörtlich: „Das ist Schwachsinn!“ Sein Vorschlag zum effizienten Angehen des Problems: Der Deichverband der 2. Meile sei bereit, geeigneten Schlick zur Gewinnung von Deichbauklei aufzunehmen, man verfüge zurzeit jedoch nicht über geeignete Flächen zur Ablagerung. Im Landkreis Stade werden in den nächsten Jahren circa vier Millionen m³ Deichbauklei benötigt, es wäre an der Zeit, über Spülflächen und Pütten zur Schlickaufnahme nachzudenken, gab Lefers zu bedenken. Auf einen Nenner gebracht forderte er „Kreislaufwirtschaft statt Kreislaufbaggern“. Auch Holger Maciolek von der Bürgerinitiative „Aktionsbündnis Alte Süderelbe“ ergriff das Wort. Er zeigte aus seiner Perspektive die Gefahren der vom Senat angedachten Öffnung der Alten Süderelbe (schlechte Wasserqualität, ungenügender Hochwasserschutz, Verschlickung auch der Alten Süderelbe und fortwährende Naturschäden) als Bedrohung für die Existenz der Obstbaubetriebe auf. „Es gilt, die Öffnung der Alten Süderelbe zu verhindern und die Situation an der Este zu verbessern! Bereits heute kann man an der Este sehen, was der Alten Süderelbe bevorstehen könnte!“, so Maciolek. Zu guter Letzt meldete sich ebenfalls der Sprecher der Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cranz, Manfred Hoffmann, zu Wort. Er mahnte an, dass umgehend ein nachhaltiges Konzept für neue Ablagerungsstätten erarbeitet werden müsse, dass sich u.E. ausschließlich auf die deutsche Wirtschaftszone nordwestlich von Helgoland konzentrieren sollte. Auch hier müsse die Umweltverträglichkeit garantiert sein. Dass die Umweltverbände an dafür erforderlichen Genehmigungsverfahren beteiligt würden, müsse eine Selbstverständlichkeit sein. Auch eine Erstellung eines beständigen und nachhaltigen Handlungskonzeptes für die Ausbaggerung der Este redete Hoffman das Wort: „Das ist zwingend geboten. Zum einen, um den termingerechten Schiffbau der Pella Sietas-Werft mit ihren über 300 Arbeitskräften nicht weiter auf Grund der Verschlickung der Este zu gefährden und zum anderen, um das Este-Sperrwerk vor allem als Teil des Hochwasserschutzes allzeit funktionsfähig zu haben.“ Die Wiederöffnung der Alten Süderelbe für ihren Tideanschluss an den Elbe-Tidestrom lehnte er ab. Um die Tide-Dynamik zu dämpfen und um dem Fluss mehr Überflutungsraum zu geben, müsse im Hinblick auf das Ziel „nach wirkungsvolleren Maßnahmen gesucht und geforscht werden“, so Hoffmann.