Bald wieder Ebbe und Flut? High Noon an der Alten Süderelbe

pm -Holger Maciolek: Bis auf die Höhe des gelben Balkens würde das Wasser bei der Öffnung der Alten Süderelbe steigen (im Hintergrund Patricia Maciolek)

Bald wieder Ebbe und Flut?
High Noon an der Alten Süderelbe.

Demo am Süderdeich: Öffnung stößt auf breite Ablehnung.

So etwas hat man im idyllischen Süden Finkenwerders noch nie gesehen. Äber 500 Demonstranten protestierten – mit Corona-Abstand – auf einer Pferdeweide am Finkenwerder Süderdeich, direkt am Ufer der Alten Süderelbe.
Grund: Seit dem vergangenen Wochenende müssen Anwohner, Initiativen und Verbände fürchten, dass ein einmaliges Naturparadies zerstört wird. Denn nach dem Hauptbericht des Forums Tideelbe würde sich eine Öffnung der Alten Süderelbe sowohl positiv auf die Tideelbe als auch zu einer naturschutzfachlichen Aufwertung des Gebietes führen. Im Klartext würde das beudeuten, dass die Alte Süderelbe, die seit der Flut von 1962 ein stehendes Gewässer ist, an ihren beiden Enden geöffnet und wieder zu einem fließenden Gewässer wird, mit Ebbe und Flut und noch weiteren unliebsamen Folgen, wie befürchtet wird.
Anwohner Holger Maciolek von der Interessengemeinschaft Alte Süderelbe (ias), kann diese Überlegungen absolut nicht nachvollziehen. „Um eine volle Tide hier durchlaufen lassen zu können, müssten meterhohe, 2 Kilometer lange Spundwände gebaut werden, die den Blick auf eine Idylle verstellen würden. Diese Maßnahme würde das Gewässer zu einem Hafen-Schlick-Kanal degradieren und hat nichts mit Aufwertung zu tun. Wie so etwas aussieht, kann man sich gut an der Este ansehen. Und mit einem kurzfristigen Einfluss von drei bis vier Zentimetern auf das Tidevolumen kann man nun wirklich keine 600 Millionen teure Maßnahme mit entsprechend hohen Folgekosten begründen.“
Dem schließt sich Wasserwirtschafter Jörg Köpke aus Francop an: „An der Este kriegen sie das mit dem Schlick nicht mal bei einem Sperrwerk von 40 Metern hin“ Das macht auch Angst vor Sturmfluten: „Manchmal bleibt das Sperrwerk einfach offen, weil es wegen des Schlicks nicht geschlossen werden kann. Was passiert bei einem 25 Meter größeren Sperrwerk, wie es an der Alten Süderelbe (in Höhe Osterfelddeich – die Red.) geplant ist?“, so seine Frage. Es sei bereits jetzt absehbar, dass in die Alte Süderelbe mehr Sedimente reingespült werden als raus. Eine Mehrheit im Forum sieht das anders. Demnach würden Sedimente die jetzt im Hafenbereich ausgebaggert werden müssen, in die Alte Süderelbe ab- und durchgeleitet, was zu einer großen Kostenersparnis für die Stadt führen würde. Bei voller Tide würde die Alte Süderelbe in der Folge auf bis zu 2,26 m über Normalnull steigen. Was das bedeuten würde, versuchten sich die Anwesenden auszumalen. Sie sind sich alle einig: Die angedachte Maßnahme bringe, anders als versprochen, keine ökologische Aufwertung. Ganz im Gegenteil
Nicht zuletzt fährt man auf Finkenwerder seit 1962 alle Antennen aus, wenn von Hochwasser und Flutschutz die Rede ist. „Finkenwerder ersäuft, damit die Wirtschaft läuft,“ war dann auch auf einem mitgeführten Banner zu lesen, oder auch „„Kein Hafenschlick in die Alte Süderelbe“, und ganz originell: „Biber statt Bagger.“
Auch die Obstbauern des Alten Land lehnen eine Öffnung strikt ab. Ulrich Harms, Obstbauer aus Neuenfelde, glaubt nicht, dass es im Falle einer Öffnung der Alten Süderelbe möglich wäre, ausreichend hochwertiges Wasser für sein Obst zu bekommen. „Die Salzschäden, die sich heute schon an den Kulturen im Bereich der Este zeigen sind dann auch im gesamten Obstanbaugebiet der Alten Süderelbe zu erwarten. Außerdem müssten mit immensen Aufwand neue Deichlinien, Spundwände und Schöpfwerke geschaffen werden“. Technisch sei die Maßnahme durchaus machbar, sinnvoll sei sie nicht, und der Preis für einen geringen Nutzen viel zu hoch, betonte er
Besonders empört zeigten sich die Betroffenen aber in Sachen Naturschutz. Dirk Köpke aus Francop: „Hier wird von einer Aufwertung des Gebietes gesprochen – dabei würden alleine zehn besonders und streng geschützte Amphibien und Vogelarten ihren Lebensraum völlig verlieren, andere Arten müssten mit einer extremen Verschlechterung ihrer Habitatsbedingungen zurechtkommen“. Das würde laut Holger Maciolek bedeuten, „dass 90 % eines gesetzlich geschützten Biotops vernichtet würden und das Forum mithin zu einem Gesetzbruch aufrufen würde.“ Hier seien nicht nur Eisvögel, See- und sogar Fischadler zuhause: die Alte Süderelbe sei ist auch ein Refugium für viele andere Pflanzen- und Tierarten, sagte er.
In der Tat: Die Ufer der Alten Süderelbe sind ein wahres Naturparadies: Urige Landschaft und Vogelstimmen die Seltenheitswert haben, sind hier die Regel. „Dieses rund 100 Hektar große Naturschutzgebiet Alte Süderelbe würde weitestgehend vernichtet werden, die Auswirkungen auf das angrenzende Naturschutzgebiet Westerweiden sind nicht abzusehen. Was so eine Maßnahme wirklich bewirkt, zeigt die Löffelenten- Ausgleichsmaßnahme auf Hanöfersand – die Flachwasserzone versinkt im Schlick,“ so Patricia Maciolek, die sich ebenfalls in der IAS engagiert.
„Wir hoffen, dass Hamburg diesen Irrsinn nicht wirklich in Erwägung zieht“, sagte Holger Maciolek bei der Protestaktion am 5. September weiter und betonte: „Ansonsten sind wir auch rechtlich gewappnet und werden entsprechend gegen diesen Irrsinn vorgehen. Lasst uns so laut werden, dass man unseren Widerstand auch im Rathaus hört“. Damit sprach er den Demonstranten voll aus der Seele.
Die Petition „Rettet die Alte Süderelbe“ auf petitionen.com (https://www.petitionen.com/tideanschluss_alte_suderelbe_verhindern) wurde, Stand Montag, also 48 Stunden nach der Protestaktion, bereits von 5.100 Personen unterschr in nicht öffentlicher Sitzung formuliert wurde, soll am 30. September bekannt gegeben werden.