„Bahn darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen“

pm -Da wo Martin Hoschützky (li.) und Günter Bosien heute stehen soll bis 2026 das Überwerfungsbauwerk der Bahn errichtet werden ± ohne aktiven Lärmschutz entlang der Gleise für die unmittelbare Wohnbebauung.

„Bahn darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen“.

Überwerfungsbauwerk: Rönneburger fordern Lärmschutz.

Allein schon die Bezeichnung „Überwerfungsbauwerk Meckelfeld“ wird in Rönneburg als skandalös empfunden, weil es eine vollkommen irreführende Bezeichnung sei. Sogar laut Infomation der Deutschen Bahn AG befinde sich das geplante Bauwerk im Bereich der Vossloh Rail Service GmbH eindeutig in Rönneburg (also in Hamburg) und nicht in Meckelfeld (also Niedersachsen). Problem Nr. 2: Während auf niedersächsischem Gebiet ein umfassender Lärmschutz geplant ist, soll es diesen in Rönneburg nicht geben. „Das können und wollen wir nicht akzeptieren“, so Günter Bosien, bereits 1997/98 Sprecher der örtlichen Anwohnerinitiative. Hintergrund: Um Engpässe an diesem Eisenbahnknotenpunkt zu beseitigen und diesen auch leistungsfähiger zu machen, soll ein so genanntes „Überwerfungsbauwerk“ (eine Art Brücke zur Kreuzung paralllel verlaufender Bahngleise auf unterschiedlicher Höhe) errichtet werden. Effekt: Zukünftig müssen die Güterzüge vom und zum Rangierbahnhof Maschen nicht mehr aufeinander warten, um sich gegenseitig passieren zu lassen. Durch das neue Bauwerk werden die Gleise auf zwei Ebenen (über und unter der Brücke) über das Verkehrskreuz geführt. Baubeginn soll laut Bahn im Oktober 2021 sein, Bauabschluss 2016. Zweck dieses Bauwerks ist die Entflechtung der Güterverkehrsströme zwischen Harburg und dem Rangierbahnhof Maschen.
Die Befürchtung in Rönneburg: Aufgrund der erhöhten Rampe wird die Schallquelle ‚Güterzug‘ ohne aktiven Lärmschutz zu einer deutlich erhöhten Lärmbelastung mindestens in den Gärten sowie in der unmittelbaren Wohnbebauung liegen – zumal bei Ostwind, und der wehe vor Ort beständig. Mit den betroffenen Rönneburgern vor Ort hat bisher niemand gesprochen, es sei lediglich aufgrund statistischer Zahlen und Berechnungen geplant worden, so ein sichtlich erboster Bosien. Für ihn ist das alles ein deja vu-Erlebnis. Denn damals (als das bereits vorhandene Kreuzungsbauwerk gebaut wurde) wie heute habe die Bundesbahn, vertreten durch das Eisenbahnbundesamt (EBA), einen Lärmschutz für unnötig gehalten. Er erinnert sich: „Unser Glück war, dass wir neben der damaligen Unterstützung durch Helga Stöver (damals wie heute Bezirksabgeordnete), Inge Ehlers (Bürgerschaftabgeordnete) und auch aus Bonn durch das Verkehrsministerium (damals CDU) der Bahn nachweisen konnten, „dass ihre Lärmberechnungen falsch waren, so falsch wie die Zahlen heute.“
Jetzt stelle sich die Frage: „Wer sagt uns, dass die berechneten Lärm-Immissionen“ – das Bauvorhaben wurde im Stadtplanungsausschuss der Bezirksversammlung am 7. Januar vorgestellt – „diesmal richtig sind?“ Man dürf auch nie dabei vergessen, so Bosien weiter, „dass das mit den Berechnungen für Lärmschutz beauftragte Ingenieurbüro im Auftrag der DB tätig ist. Dann kann unter Umständen dabei herauskommen, was für die DB kostengünstig ist. Also werde vorgetragen, dass zwar die Lärmschutzgrenzen in Rönneburg weit überschritten werden, aber ein aktiver Lärmschutz an der Bahnstrecke zu teuer sei und deshalb Lärmschutz an den Häusern eingeplant werde.
Völlig außer acht gelassen sei auch das erwartete Zugaufkommen gewesen. Stattdessen unterstellten die Berechnungen den heutigen Stand. Aber auch diese Strecke soll, wie Bosien weiter erläuterte, eine digitalisierte Signaltechnik erhalten, um dadurch das Zugaufkommen deutlich zu erhöhen. Folge: „Mit dieser Technik können Züge in kürzeren zeitlichen Abständen auf die Strecke gebracht werden.“
Für Rönneburg gebe es nur eine Lösung, betonte indessen Martin Hoschützky, örtlicher CDU-Abgeordneter in der Bezirksversammlung: „Der Lärmschutz an den Gleisen muss her! Zu fordern ist eine Gleichbehandlung. Die Strecke unmittelbar hinter der Landesgrenze zwischen Hamburg und Niedersachsen (hier Meckelfeld) wird Lärmschutz am Gleis erhalten.“
Die konkreten Maßnahmen zur Minderung von Lärm seien bei der Präsentation im Ausschuss nur vage und unzureichend angedeutet worden, bemängelt auch der CDU-Fraktionsvorsitzende in der BV, Ralf-Dieter Fischer. Die Berichterstatter hätten lediglich darauf verwiesen, „dass die Errichtung einer Lärmschutzwand wegen der geringen Anzahl betroffener Bewohner (angeblich nur 7 bis 9 Häuser) und der hohen Kosten unverhältnismäßig sein könnte, was dazu führen würde, dass nur passiver Lärmschutz vorzusehen sei. Für die CDU-Fraktion machte er unmissverständlich deutlich, dass im Hinblick auf die hohen Kosten der Gesamtbaumaßnahme auch die Errichtung einer Lärmschutzwand im Bereich Rönneburg zwingend notwendig und für die Bahn keinesfalls unverhältnismäßig wäre. Der Schutz der Bürger kann nicht auf den niedersächsischen Bereich beschränkt bleiben.“
Die SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung fordert gleichermaßen, dass auf Hamburger Gebiet auf einer Länge von 550 m Lärmschutzwände aufgestellt werden. Das Argument, dass eine 1,6 Millionen teure Lärmschutzwand bei maximal neun betroffenen Häusern unverhältnismäßig sei, lässt die SPD nicht gelten. Ihr Fraktionsvorsitzender Jürgen Heimath sagte dazu: „Die Eigentümer dieser Gebäude – hauptsächlich in den Bereichen An der Eiche, Reller und Rellerstieg – haben somit Anspruch darauf, dass lärmmindernde Maßnahmen getroffen werden, die den Lärmpegel dieser Objekte auf 49 db/A nachts mindern.“ Fest steht für Jürgen Heimath: „Die Bahn darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sie ist der Lärm-Verursacher.“
In jedem Fall steht für die CDU-Fraktion fest, dass aktiver Lärmschutz wegen der nicht hinzunehmenden Lärmimmisionen im angrenzenden Rönneburger Gebiet bei der bereits vorhandenen Überschreitung von Lärmschutzgrenzen und der zukünftigen weiteren Überschreitung unabhängig von den Baukosten zu fordern ist. Aus Sicht der CDU-Fraktion haben die zahlreichen Bewohner in der Nähe von Bahnanlagen in Rönneburg und die dort ansässigen Kleingärtner den gleichen Schutz vor Bahnlärm verdient, den man möglicherweise Anliegern in Niedersachsen gewähren will. „Die Vertreter der CDU werden sich daher auch weiterhin nachhaltig auf allen Ebenen gegenüber der DB Netz AG dafür einsetzen, dass bereits im Planfeststellungsverfahren aktiver Lärmschutz in Rönneburg vorgesehen und anschließend auch geschaffen wird“, betonte Fischer in einer Presseerklärung.
Ein Gesamtkonzept für diesen meistbefahrenen Streckenabschnitt Norddeutschlands erwarten hingegen die Neuen Liberalen in der BV. 412 Güterzüge täglich habe der Bundesverkehrwegeplan für Wilstorf und Rönneburg prognostiziert: ein Zug alle dreieinhalb Minuten, 17 Güterzüge in der Stunde. In ihrem Antrag für die BV heißt es: „Es ist auch in Harburg höchste Zeit, sich um belastbare Erkenntnisse im Wege schalltechnischer Gutachten zu bemühen, damit die Wohnbevölkerung … von krank machendem Lärm geschützt wird.“
Immerhin hatte der Lärmschutzexperte Markus Schweiger vom Ingenieurbüro Obermeyer eingeräumt, dass in Rönneburg schon heute die Grenzwerte für Lärmschutz überschritten werden. Vorgesehen seien deshalb Lärmschutzfenster und dergleichen bei den am meisten betroffenen Häusern. Seine Frage: „Will man damit den hauptsächlichen Aufenthalt in den Häusern erzwingen, weil es draußen unerträglich laut ist?“