1950er-Jahre-Tankstelle für das Freilichtmuseum am Kiekeberg

FLMK -Beobachteten de Translozierung Tankstelle in Stade (1. Reihe v. l.)rMichael Roesberg Landrat Landkreis Stade; Rainer Rempe Landrat Landkreis Harburg; Stefan Zimmermann Museumsdirektor Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg; Carina Meyer Kaufmännische Geschäftsführerin Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg; Horst und Klaus Mehrtens bisherige Besitzer der Tankstelle StaderHintere Reihe v. l.:rKlaus-Wilfried Kienert Stiftungsratsvorsitzender Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg; rTheda Pahl Architektin Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg; rAlexander Eggert Abteilungsleiter Volkskunde Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg;rPhillip Schäle Translozierer Firma JaKo Baudenkmalpflege Rot an der Rot; Christoph Frenzel Architekt der „Königsberger StraßeÒ Buxtehude.

1950er-Jahre-Tankstelle für das Freilichtmuseum am Kiekeberg.

Abbau am Originalstandort – erstes Gebäude für „Königsberger Straße“.

Mit einem Umzug der besonderen Art startete jetzt das Projekt „Königsberger Straße“ am Kiekeberg in die Bauphase: Eine Tankstelle aus den 1950ern wurde in einer spektakulären Aktion abgebaut und über Nacht ins Freilichtmuseum am Kiekeberg gefahren. Dort wird sie im Frühjahr originalgetreu wieder aufgebaut. Sie ist das erste Gebäude der „Königsberger Straße“, die demnächst die Zeit von 1949 bis 1970 zeigt.
Sechs Gebäude – vom Fertighaus bis zum Friseurgeschäft – werden in den kommenden sechs Jahren im Freilichtmuseum am Kiekeberg aufgebaut. Als erstes findet eine Tankstelle aus Stade ihr neues Zuhause in der „Königsberger Straße“. Alexander Eggert, Volkskundler im Museum, erläutert: „Wir haben lange nach einer passenden Tankstelle aus der Zeit gesucht. Diese ist sehr gut erhalten. Außerdem steuern die Vorbesitzer Klaus und Horst Mehrtens durch die Besitzerbiografie viele interessante Informationen bei.“ Der Vater der Brüder Klaus und Horst Mehrtens baute die Tankstelle 1954 in modernem Design auf und betrieb sie bis 1984 als Bedientankstelle. Damit führte er den Familienbetrieb in die Zukunft: Seit den 1910ern verkaufte die Familie Mehrtens Benzin, zunächst aus der alten Schmiede heraus, ab 1928 mit einer Pumpanlage ohne Dach.
„An den Tankstellen in den Dörfern lässt sich der gesellschaftliche Wandel nach dem Zweiten Weltkrieg besonders eindrücklich ablesen“, sagt Museumsdirektor Stefan Zimmermann. „Immer mehr Menschen besitzen Autos und Motorräder. Damit ändern sich Freizeit, Konsum und auch Arbeitsorte – in den 50er-Jahren nimmt die Gesellschaft buchstäblich Fahrt auf.“ Die Mineralölkonzerne signalisieren die Modernität auch mit einer einheitlichen Gestaltung: „Tankstellen sind oft die ersten Gebäude mit Neonlicht, dazu kommt ein neues Design und durch das relativ neue Material Stahlbeton auch fließende Formen und eine gewisse optische Leichtigkeit.“ Theda Pahl, Architektin des Freilichtmuseums, ergänzt: „Heute können wir uns den Kontrast zwischen alten Fachwerk-Bauernhäusern und den modernen Tankstellen kaum noch vorstellen. Im Freilichtmuseum bauen wir daher die Tankstelle direkt neben der alten Schmiede auf – so, wie sie auch in Stade gestanden hat.“
Rainer Rempe, Landrat aus dem Landkreis Harburg, ergänzt: „Jedes Gebäude, das nach und nach auf den Kiekeberg kommt, hat seine eigenen Geschichten zu erzählen. Sie spielen in der Region, aber sie sind auch exemplarisch für ganz Deutschland. Die Themen sind spannend und interessant – und die Tankstelle ist ein guter Auftakt dazu.“ Für Horst und Klaus Mehrtens geht ein Traum in Erfüllung: „Ein Stück unserer Familiengeschichte wird auf Dauer erhalten bleiben. Wir haben früher unseren Vater auf der Tankstelle vertreten. Demnächst können wir unsere Tankstelle im Museum auch unseren Enkeln zeigen.“
Vor dem Wiederaufbau im Freilichtmuseum stand jedoch die Translozierung. Selten zieht eine Tankstelle um. Daher war die Konzentration auch bei dem erfahrenen Bauunternehmen hoch. Projektleiter Phillip Schäle von der auf Translozierungen spezialisierten Firma JaKo aus Firma JaKo Baudenkmalpflege aus Rot an der Rot: „Wir transportieren zum ersten Mal eine Tankstelle, dabei profitieren wir allerdings von früheren, individuellen Projekten. Die Herausforderung ist, möglichst große Teile zu verpacken, die dann trotzdem noch auf die Straßen passen.“ Die Tankstelle wurde in drei Teile zerlegt: Dach, Säule und Kassenhäuschen. „Wir wollen möglichst wenig Schäden an der Originalsubstanz verursachen. Schließlich soll die Tankstelle als Exponat im Museum erhalten werden“, so Phillip Schäle.
Das Dach mit 10,5 mal 7,4 Metern Fläche wurde in einem Stück flach auf einen Tieflader gehoben – für den Straßenverkehr liegt da die Grenze. Mit einer intensiven Polizeiabsicherung fuhren die drei Tieflader nachts die etwa 50 Kilometer. Über den Winter werden die Tankstellenteile zwischengelagert und im Frühjahr am Kiekeberg wieder aufgebaut.
Mit dem Großprojekt „Königsberger Straße“ errichtet das Freilichtmuseum am Kiekeberg in den kommenden Jahren eine Baugruppe, die typisch für das Leben in der Nachkriegszeit ist und die bis heute das Erscheinungsbild von Dörfern in ganz Deutschland prägt. Es holt die Zeit von 1949 bis 1970 ins Museum und baut dazu sechs Häuser auf – einschließlich Gärten, Straßenlampen, Litfasssäule und Telefonzelle. Museumsdirektor Stefan Zimmermann: „Wir stellen dar, wie Einheimische, aber auch Neubürger die Aufbauzeit erlebten.“ Ausstellungen, Führungen, Mitmach-Aktionen und andere Begleitprogramme zeigen den Alltag auf dem Dorf zu der Zeit und seinen Wandel.